Historical Exclusiv Band 44
und das Schwert wie ein kampferprobter Krieger führen könne?
„Sheriff Jeffries, was soll das bedeuten?“ Sarahs schneidender Tonfall hatte nichts mehr mit der einschmeichelnden Stimme gemein, die Anthony so an ihr gefiel. Er blickte erstaunt auf sie herunter.
Der Mann am Kamin richtete sich auf und machte eine kurze Verbeugung in ihre Richtung. Er zog seinen ledernen Degengurt nach oben, um ihn etwas bequemer über der Ausbuchtung seines Bauches anzubringen. „Wir bekamen eine Anklage, die Pastor Hollander betrifft, Mistress Fairfax. Und ich bin von Amts wegen dazu verpflichtet, der Angelegenheit nachzugehen.“
Sarah entzog Anthony ihren Arm und durchschritt energisch den Raum. „Was hat man dem Pfarrer vorzuwerfen?“
Der Sheriff deutete mit dem Kopf zu Oliver. „Captain Kempthorne hier beschuldigt unseren Landvikar, in geheime Aktionen verwickelt zu sein.“
Sarah stellte sich hinter den Pastor und sah den Sheriff wütend an. „Das ist doch völlig abwegig“, entgegnete sie.
„Das glaube ich wohl, Mistress Fairfax. Doch wir müssen die Angaben von Captain Kempthorne überprüfen.“
Sarah blickte zu Oliver, der gegen einen Zeichentisch lehnte und die Arme vor der Brust verschränkt hatte. „Und was hatte Captain Kempthorne gegen den Pastor vorzubringen?“
Oliver verbeugte sich nicht förmlich, sondern nickte zur Begrüßung nur kurz. „Oliver Kempthorne von den Truppen Seiner Königlichen Majestät. Zu Euren Diensten, Mistress. Es hat den Anschein, dass Euer Landvikar an einer Serie von räuberischen Überfällen beteiligt war, die in dieser Gegend verübt worden sind.“
„Und welche Beweise habt Ihr für diese grotesken Vorwürfe, Captain Kempthorne?“
„Meine Männer haben den Auftrag, in diesem Landesteil den Schmugglern auf die Spur zu kommen, nachdem wir wieder mit den Niederländern im Krieg stehen. Letzte Woche führten wir eine kleine Unterhaltung mit einem niederländischen Schmuggler, den wir auf frischer Tat ertappten. Der Mann beteuerte, dass er die Juwelen, die er bei sich führte, von Eurem Landvikar erhalten hätte. Als wir die Sakristei in der Kirche durchsuchten, fanden wir dies hier.“ Oliver griff lässig in seinen Wams und zog eine funkelnde Halskette heraus.
Sarah erschrak. Sie kannte das Stück. Es stammte aus dem Besitz des Bischofs von Lackdale, den sie überfallen hatte. Sie legte dem Pastor die Hände auf die Schultern, weniger zu seiner Beruhigung als vielmehr, um selbst Haltung bewahren zu können. „Das muss ein Irrtum sein“, meinte sie. Ihre Stimme klang deutlich gedämpft.
Anthony hatte das Geschehen mit wachsendem Missmut beobachtet. Offensichtlich handelte es sich bei dem schmächtigen alten Mann nicht um den Räuber. Aber er war in irgendeiner Weise an den Verbrechen beteiligt. Und Sarah hatte seine Verhaftung völlig aus der Fassung gebracht. Hoffentlich bedeutete das nicht, dass sie ebenfalls in die Angelegenheit verwickelt war.
„Ich erlaube mir, mich selbst vorzustellen, Gentlemen“, begann er höflich. „Lord Anthony Rutledge. Ich bin gerade vom Hofe angereist und natürlich an allen Vorkommnissen interessiert, die die Angelegenheiten Seiner Majestät betreffen.“ Er hatte die Worte an Oliver gerichtet, der scheinbar teilnahmslos nickte. Anthony durchquerte den Raum und streckte dem Sheriff zur Begrüßung die Hand hin.
„Sehr erfreut, oh … vielmehr stets zu Euren Diensten, Eure Lordschaft.“ Jeffries machte den Eindruck, als ob ihm zwei Abgesandte des königlichen Hofes an einem Tag einfach zu viel wären.
Sarah richtete den Blick auf Anthony. „Falls Ihr in dieser Sache etwas unternehmen könnt, wäre ich Euch sehr zu Dank verpflichtet, Mylord. Es muss sich hier um ein furchtbares Missverständnis handeln.“
Anthony sah die im Raum Versammelten der Reihe nach an. „Vielleicht wäre es sinnvoll, den Geistlichen für sich selbst sprechen zu lassen.“ Er stellte sich direkt vor dem Landvikar und Sarah auf. „Bitte sagt mir, ehrwürdiger Vater“, begann er hochachtungsvoll. „Reitet Ihr um Mitternacht über die Straßen, bedroht unschuldige Personen mit dem Schwert und beraubt sie ihres Vermögens?“
Die Abwegigkeit dieser Anschuldigung war jedem der Anwesenden klar. Pastor Hollander schien schon erhebliche Schwierigkeiten zu haben, um auf dem klapprigen Stuhl sitzen zu können. Die Vorstellung, dass er auf einem Hengst einsame Straßen entlanggaloppierte, war absurd. Der Pfarrer lächelte milde und schüttelte den Kopf.
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