Historical Exclusiv Band 44
der Captain zurückgekehrt ist?“
„Aber sicher. Das werde ich bestimmt tun.“
Sie drehte sich schwungvoll auf dem Absatz um, erbost über den Sheriff, Kempthorne, den König und sogar Anthony. Trotz seiner vielversprechenden Reden zuvor hatte er sich jetzt nicht gerade als Hilfe erwiesen. Sie hatte gefühlt, dass ihre Zuneigung für ihn gewachsen war, als sie ihn in der Hütte der Whites beobachtete, wie er von Kindern umringt war, und während ihres Gesprächs über puritanische Glaubensinhalte auf dem Hügel über der Mühle.
Doch nun hatten ihre Vorbehalte gegen ihn wieder die Oberhand gewonnen. Anthony wollte ihr nicht helfen, Pastor Hollander freizubekommen. Niemand würde sie unterstützen, und morgen würde man den Kirchenmann außer Reichweite schaffen. Sie lächelte finster. Der Mond würde heute Nacht früh aufgehen.
Anthony blickte starr auf den Weinkelch, den er seit geraumer Zeit in den Händen hielt. Er hatte Millie gebeten, ihm etwas zu trinken zu bringen. Doch er hatte sie schnell wieder verabschiedet, als sie versuchte, ihn in ein Gespräch zu verwickeln. Er wollte mit niemand reden. Außer mit Sarah. Und sie hatte sich schon früh zum Schlafen zurückgezogen.
Er bewegte seine Hand im Kreis und beobachtete, wie die tiefrote Flüssigkeit bis zum Rand des Kelches schwappte.
Anthony hatte den Verdacht, dass ihm auch der Wein heute Abend nicht helfen konnte. Es waren zu viele Gefühle, die in ihm hochstiegen und mit denen er zu kämpfen hatte. Sie ließen sich durch ein berauschendes Getränk nicht verscheuchen. Eindrücke von den Hütten, die sie heute im Laufe des Tages besucht hatten, kamen ihm wieder ins Gedächtnis. Die stolze Miene des kleinen Benjamin White, als er meinte, jetzt der Mann in der Familie zu sein.
Verdammt. Der König wäre niemals damit einverstanden, dass seine Steuereintreiber einen Vater von seiner Familie trennen. Davon war Anthony überzeugt. Charles war einer der warmherzigsten Männer, die er kannte, vor allem, wenn es um Kinder und hilflose Kreaturen ging wie seine heiß geliebten Spaniel.
Er wollte mit Charles über diese Vorkommnisse reden, wenn er wieder zurück am Hofe war. Der Gedanke daran störte ihn. Nach London zurückzukehren bedeutete, Sarah zu verlassen. Anthony schüttelte den Kopf und musste über sich selbst lachen.
Welche Ironie, dass Baron Rutledge, der leidenschaftliche Draufgänger, der schon in ganz Europa Frauenherzen gebrochen hatte, sich so schnell und ernsthaft in ein einfaches Landmädchen ohne besondere Abstammung und Vermögen verliebt hatte.
Nein, nicht einfach. Er rief sich in Erinnerung, welchen Eindruck sie heute auf ihn gemacht hatte. Liebenswürdig und tüchtig hatte sie ihre Gaben an die Bedürftigen verteilt. Es war besorgter Beistand ohne Mitleid, Wohltätigkeit ohne Demütigung. Er stellte den Kelch hart auf, sodass sich der Wein über seine Hand und den Tisch ergoss. Es reichte ihm! Genug von diesen seltsamen Gefühlen, die er für Mistress Fairfax empfand. Langsam wurde es Zeit, dass er sich mit ihr auf einem vertrauteren Gebiet auseinandersetzte – seinem speziellen Metier, in dem ihm bislang noch keine Frau widersprochen hatte.
Er stand auf und ging zielbewusst den Gang entlang zu ihrem Zimmer. Heute Nacht würde Sarah ihm gehören, und vielleicht würden sich dann die bösen Dämonen, die sie in ihm erweckt hatte, zu guten Geistern verwandeln.
Er klopfte an die Tür. Keine Antwort. Anthony versuchte es erneut, nun etwas lauter, aber es blieb weiterhin still. Vielleicht schlief sie schon. Vorsichtig drückte er den Griff nach unten. Die Tür sprang auf, und er spähte in den verdunkelten Raum. Doch eines war klar erkennbar – Sarah war nirgends zu sehen.
Clarence Tinker befand sich gerade in einem wunderbaren Traum. Er war nach London in seine Lieblingstaverne zurückgekehrt und die Serviererin, die ihn zuvor monatelang wie Luft behandelt hatte, setzte sich schließlich auf seinen Schoß und knabberte zärtlich an seinem Ohr. Plötzlich wurden ihre Liebkosungen aber immer heftiger, und sein Hals wurde ganz nass. Clarence fuhr in die Höhe und stieß sich den Kopf an der Steinmauer hinter ihm. Vor seinem Gesicht sah er die Nase eines riesigen Pferdes. Er griff nach der Pistole, die in einem Gurt an der Seite hing.
„Keine Bewegung“, befahl eine gedämpfte Stimme.
Er blickte empor und erkannte eine Gestalt ganz in Schwarz. Ein Umhang umwehte sie im Wind. Die Klinge eines gezogenen Säbels glänzte im Mondlicht.
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