Historical Exclusiv Band 44
gut.“
Sarah entzog sich ihm. „Ihr vermutet, dass sie Euch zur Hinrichtung bringen. Habe ich recht?“, stieß sie mit harter Stimme hervor.
Er konnte seine Gedanken vor ihr nicht mehr verbergen. „Es liegt nun alles in Gottes Hand, Sarah“, meinte er gefasst.
Tränen stiegen ihr in die Augen, aber ihre Stimme klang voller Hass. „Nicht Gottes Hand bestimmt Euer Schicksal, Jack, sondern der König. Und seine Henker. Heimtückische, hinterlistige Männer, zu denen auch Lord Rutledge gehört.“
Er sah sie voller Mitgefühl an. „Habt Ihr irgendetwas von ihm gehört?“
„Selbstverständlich nicht“, meinte sie bitter. „Und ich lege auch keinen Wert darauf.“
Jack seufzte. „Der Mann hat nur die ihm vom König zugewiesenen Aufgaben erledigt.“
Sarah blickte ihren Bruder erstaunt an. „Dann muss ich also annehmen, dass es seine Pflicht war, mich zu verführen?“
„Nein. Er hat falsch gehandelt, als er die Gastfreundschaft unseres Onkels unter falschen Voraussetzungen annahm, und es war hinterhältig von ihm, Euch mit Lügen in sein Bett zu locken. Falls ich jemals aus diesem Gefängnis herauskomme, werde ich ihn deswegen zur Rechenschaft ziehen und Genugtuung fordern.“
Die Vorstellung, dass Jack ein Duell gegen Anthony in Betracht zog, fand Sarah absurd. Auch wenn er mittlerweile erwachsen war, hatte er gegen die Erfahrung und Gewandtheit des Barons keine Chance. „Das will ich auf keinen Fall“, erwiderte sie. „Wenn wir beide diese Mauern eines Tages lebend verlassen sollten, möchte ich von Euch ganz weit weggebracht werden. Es müsste eine Entfernung sein, die mich sichergehen lässt, dass mir dieser sogenannte Edelmann mein ganzes Leben lang nicht mehr unter die Augen tritt.“
„Vielleicht könnten wir in die Neue Welt reisen“, schlug Jack vor. Er wirkte geistesabwesend.
„Wie wäre es mit der Kolonie in Plymouth?“, schlug Sarah vor. Der Vorschlag gefiel ihr. Eine leichte Röte stieg ihr in die Wangen. Viele der puritanischen Führer, Freunde ihres Vaters, hatten ihren Glauben ernst genommen und ein neues Leben in dem Land begonnen, das man nun Massachusetts nannte.
„Vielleicht würde sich Onkel Thomas uns anschließen. Zusammen könnten wir ein eigenes Gut bewirtschaften.“
„Und ich könnte Norah mit mir nehmen“, ergänzte Jack.
Es war eine schöne Vorstellung, und einen Augenblick lang hielten sich Bruder und Schwester an den Händen und träumten von einer Zeit, in der sie an einem friedlichen Ort wieder zusammenleben konnten. Doch ein mürrischer Ruf von einem der Wachen brachte sie unvermittelt in die Wirklichkeit zurück.
„Fairfax! Ihr müsst nun wieder gehen.“
Sarah klammerte sich an Jack. „Sie dürfen Euch nicht mitnehmen“, schrie sie. Ihre Stimme überschlug sich in panischer Angst. Sie blickte die Wachen bittend an. „Bitte, nur noch ein paar Minuten.“
Jack fühlte, wie er im Innersten ganz ruhig wurde. Das Warten war vorbei. Er wollte Sarah nicht allein zurücklassen, aber er musste, wie er schon zuvor gesagt hatte, ihr Schicksal in Gottes Hand legen. Sanft löste er sich von ihr. „Es wird alles gut werden, Sarah. Was immer auch geschieht, Ihr sollt Euch über diese Tatsache klar sein. Falls mein Ende bevorsteht, werde ich in eine bessere Welt gehen. Dort werde ich über Euch wachen und Euch zusammen mit unseren Eltern erwarten.“
Sarah begann zu schluchzen. Sie ließ den Kopf an seine Brust sinken. „Verlasst mich bitte nicht, Jack“, bettelte sie.
„Niemand kann uns trennen. Ihr und ich, wir sind uns für alle Ewigkeit nahe.“
Er stand ganz gefasst vor ihr. Die Ruhe, die von ihm ausging, schien auf den ganzen Raum auszustrahlen. Sarah kauerte sich auf das Bett. Er hob ihr Kinn hoch und blickte ihr in die Augen. „Ich werde immer bei Euch sein, Sarah. Das verspreche ich Euch.“
„Liebster Bruder“, flüsterte sie. Tränen glitzerten in ihren Augen.
Er strich ihr zärtlich über das Haar. Dann drehte er sich um und verließ schnell die Zelle. Sarah warf sich auf das Lager und schluchzte hemmungslos.
Anthony hatte immer angenommen, dass die Rückkehr nach Leasworth für ihn sehr schmerzlich sein würde. Aber er war in den ersten Tagen vielfältig beschäftigt gewesen. Durch diese ungewöhnliche Aktivität, die ganz im Gegensatz zu der Langeweile am königlichen Hofe stand, hatte er wenig Zeit zum Selbstmitleid gehabt.
Heute jedoch wurde er von einem aufdringlichen Quälgeist verfolgt.
„Woher wisst Ihr das, Mylord?“,
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