Historical Exclusiv Band 44
fragte der Junge nun schon mindestens zum zehnten Mal in der letzten Stunde. Es war der kleine Benjamin White, der sich selbst zum offiziellen Führer Anthonys während seines Aufenthalts in Wiggleston auserkoren hatte.
Anthony antwortete geduldig. „Erinnerst du dich daran, was ich dir erzählt habe? In Frankreich in der Nähe einer Stadt, die Paris heißt, haben die Leute diese Dinge erforscht. Sie untersuchen, wie man Getreide anpflanzt, damit es besser wächst, und wie man die Bedingungen verändert, damit die Ernte besser ausfällt.“
Benjamins Miene spiegelte seine Begeisterung. Aufgeregt fragte er weiter: „Und Ihr habt dort gelebt, Sir? Habe ich recht?“
„Ja.“ Es hatte keinen Sinn, dem Knaben zu erzählen, dass sein Interesse an der Landwirtschaft schon vor Jahren erwacht war. Er wollte damals der nutzlosen Existenz, die ihm seine Mutter und ihresgleichen vorlebten, entfliehen. Nachdem er viel Zeit in der Gesellschaft der leichtfertigen und hinterhältigen Bekannten seiner Mutter verbracht hatte, war es für ihn wie eine Erlösung gewesen, als er an die Akademie gekommen war. Hier konnte er Menschen zuhören, die nicht mit Waffengewalt versuchten, die Welt zu ändern, sondern mit Wissen.
Als er Yorkshire im letzten Winter verlassen hatte, war er an die Lehranstalt zurückgekehrt. Er konnte selbst nicht erklären, was ihn wieder dorthin gezogen hatte. Er war kein Gutsbesitzer – er besaß nicht einmal eigenes Land. Aber es hing mit seinen Reisen quer durch Leasworth zusammen, die er mit Sarah unternommen hatte. Und mit den Gesichtern von Kindern, wie von diesem, das vor ihm stand. Kriege und Steuerabgaben würde es zu allen Zeiten geben, aber das Geheimnis für wachsenden Wohlstand in diesem Teil des Königreiches lag in seinem Land.
Natürlich waren die meisten Leute hier in Wiggleston misstrauisch gegen ihn eingestellt und nicht geneigt, seinen Vorschlägen zuzuhören. Aber hie und da hatte er schon einige Fortschritte erzielt. Einige Landarbeiter konnte er bereits für die neuen Ideen begeistern. Auch den kleinen Benjamin. Er würde zweifellos einmal ein moderner Bauer werden.
„Und wie gefällt es dir jetzt, nachdem dein Vater wieder zu Hause ist?“, fragte er den Jungen.
Der Knabe strahlte über das ganze Gesicht. „Meine Mama ist auch wieder den ganzen Tag bei uns. Sie hat ihre Arbeit bei den Wyeths aufgegeben.“
„Willst du nicht lieber daheim mithelfen?“
„Mein Papa meinte, wenn ich Euch behilflich sein kann, darf ich so lange bleiben, wie Ihr mich braucht. Er sagte, er würde in Eurer Schuld stehen.“
„Du wirst deinem Vater von mir bestellen, dass er mir in keiner Weise verpflichtet ist.“
„Er erzählte, Ihr hättet mit einem Admiral gesprochen, um ihn von seinem Dienst bei der Kriegsflotte zu befreien.“
„Dein Vater hätte niemals zur Marine eingezogen werden dürfen, Benjamin. Es gibt genug Männer, die zur See fahren wollen. Deshalb sollen diejenigen, die ihre Familien zu versorgen haben, daheimbleiben können.“
„Auf alle Fälle leiste ich Euch Gesellschaft, solange Ihr mich brauchen könnt.“
Anthony unterdrückte ein Schmunzeln. „Du hast mich wirklich sehr unterstützt, Benjamin. Aber ich denke, für heute brauche ich dich nicht mehr. Ich möchte nun nach Leasworth zurückreiten.“
„Werdet Ihr morgen wiederkommen?“
Anthony zögerte. Ob das einen Sinn hatte? Manchmal schien es ihm, als wenn alle seine Bemühungen in Wiggleston vergeblich wären. Wenn er erst einmal wieder abgereist war, würden die Leute wieder zu ihren alten Gepflogenheiten zurückkehren. Wieso engagierte er sich überhaupt? Vielleicht sollte er einfach aufgeben und an den Hof zurückkehren. Dort könnte er wenigstens dem König eine Freude machen, indem er mit ihm Schach spielte und seine neue Leidenschaft für Pferderennen teilte.
„Ich weiß es noch nicht, Benjamin. Ich habe nun schon mit den meisten Leuten hier in der Gegend gesprochen und bin mir nicht sicher, ob ich noch etwas tun kann.“
„Ihr werdet doch noch nicht abreisen?“ Der kleine Junge hatte den Blick seiner klaren blauen Augen prüfend auf ihn gerichtet. Er wirkte betroffen.
„Ich muss in den nächsten Tagen wieder abreisen, Benjamin. Aber ich gehe nicht, ohne mich von euch zu verabschieden. Nun laufe aber schnell nach Hause zu deiner Familie.“
Benjamin baute sich vor ihm auf. Seine nackten Füße waren staubbedeckt. Er reichte ihm förmlich die Hand. Angestrengt suchte der kleine Kerl nach den
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