Historical Exclusiv Band 44
leisten oder weggehen.“ Das Bier floss ihm an beiden Seiten des Mundes herab, als er den Krug hob und trank.
„Warum gebt Ihr nicht einfach zu, dass Ihr in das Mädchen verliebt seid?“
Anthony schloss die Augen. Er schwankte auf seinem Stuhl. „Keine Liebe …“, sagte er undeutlich.
Oliver stand auf. „Wenn das der Fall ist, werdet Ihr nicht an meinen Nachrichten interessiert sein.“
„Nachrichten?“, wiederholte Anthony lallend.
„Ich bin hergekommen, um Euch mitzuteilen, dass die Ankläger das Verfahren gegen Mistress Fairfax eingeleitet haben.“
Anthony richtete sich auf und blinzelte verständnislos.
Oliver stützte eine Hand auf den Tisch und neigte sich nahe zu seinem Freund hin. „Sie beantragen die Todesstrafe.“
Als Anthony an der Seite des damaligen Prinzen Charles bei Worcester an seiner ersten Schlacht gegen die Republikaner teilgenommen hatte, war er ein unerfahrener junger Bursche von sechzehn Jahren gewesen. Er hatte bei diesem Ereignis unter einer so starken Anspannung gestanden, dass es einen ganzen Tag gedauert hatte, bis er sich wieder halbwegs beruhigt hatte.
Aber er konnte sich nicht daran erinnern, sich jemals innerlich aufgewühlter gefühlt zu haben als in diesem Moment, in dem er dem Gefängniswärter zu Sarahs Zelle folgte.
Oliver hatte den größten Teil des gestrigen Tages damit verbracht, seinen Freund moralisch zu unterstützen. Sie hatten zusammen die Anklageschriften durchgelesen, um sich über den Ermittlungsstand in Sarahs Fall zu informieren. Es stand so, wie Oliver berichtet hatte. Die Beweise waren schlüssig, und der Vertreter der Krone beabsichtigte, das volle Strafmaß zu beantragen.
Anthony dachte daran, Charles nochmals um eine Audienz zu bitten und andere Lösungsmöglichkeiten für eine Begnadigung von Sarah vorzuschlagen. Aber er wusste, dass der König nur ein spöttisches Lächeln für ihn übrig haben würde. Er hatte ihm sein Angebot unterbreitet. Nun lag es an Anthony, es anzunehmen oder abzulehnen.
Als er sich wieder besser fühlte und die Kopfschmerzen nachzulassen begannen, sah Anthony ein, dass es wirklich nichts mehr zu entscheiden gab. In dem Augenblick, als Oliver das Wort „Todesstrafe“ ausgesprochen hatte, hatte Anthony gewusst, dass er den Gedanken, ohne Sarah zu leben, nicht ertragen konnte.
Der König und sein Freund Oliver hatten recht gehabt. Er, Anthony, liebte Sarah. Er begehrte sie und wünschte sich, dass sie bei ihm blieb. An seiner Seite, in seinem Bett, in seinem Herzen. Für jetzt und den Rest seines Lebens.
Er wusste, dass sie seinen Heiratsantrag erst einmal ablehnen würde. Sie hatte Monate Zeit gehabt, Hass gegen ihn zu entwickeln. Sarah musste das Gefühl haben, dass sie von ihm betrogen und verraten worden war. Er hatte sie unter Vorspiegelung falscher Tatsachen zu seiner Geliebten gemacht. Anthony hatte sie und ihren Bruder festgenommen. Er hatte ihr geliebtes Pferd erschossen. Er hatte wochenlang keinen Kontakt mit ihr im Gefängnis aufgenommen, hatte keine Hilfe angeboten und keinen Trost.
Sie konnte nicht wissen, wie sehr er sich darum bemüht hatte, die Lebensbedingungen in Wiggleston zu verbessern. Sie hatte keine Ahnung davon, dass er selbst die Klippen hinuntergestiegen war, um Landvikar Hollander aus der Höhle zu befreien, nachdem sein Aufenthaltsort von den Schmugglern verraten worden war.
Anthony war dafür verantwortlich, dass der Pastor von all seinen Vergehen freigesprochen worden war und er in seine Gemeinde hatte zurückkehren können. Sie hatte auch keine Nachricht darüber erhalten, dass ihr Bruder Jack frei war. Anthony wollte ihr all diese Dinge erzählen, aber erst musste er sie dazu bringen, dass sie ihm überhaupt zuhörte.
Das harte Knirschen der Zellentür auf dem steinernen Boden zerrte an seinen gereizten Nerven. Nur wenig Tageslicht, das durch das vergitterte kleine Fenster drang, erhellte den düsteren Raum. Sarah stand in der Mitte des Zimmers.
War das die junge Frau, die er vor vielen Monaten leidenschaftlich geliebt hatte? Hatte sie überhaupt noch etwas Lebendiges an sich? Doch dann sah er ihre Augen. Sie blickten ihn erst erschrocken an. Aber rasch wandelte sich der Ausdruck in unerbittlichen Hass.
„Ihr!“, schrie sie und hielt sich an dem Tisch, der hinter ihr stand, fest.
„Seid Ihr sehr überrascht, mich zu sehen, meine Liebste?“ Er wusste nicht recht, wie er sich ihr nähern sollte. Eine Mauer der Feindseligkeit umgab sie.
„Das trifft nicht zu“, stieß
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