Historical Exklusiv Band 06
störrisches Weib dazu bringen kann, mich derart zu vergessen! Ich könnte Euch einsperren lassen wegen Ungehorsams. Woher soll ich wissen, ob Ihr diesen Ausflug heute Abend nicht arrangiert habt, damit meine Werkleute betrunken gemacht werden, während ich mit Euch beschäftigt bin, und sie mir dann Ärger bereiten? Wenn ich es mir recht überlege, könnten all die schwatzenden, lächelnden Dorfbewohner in Eurer Schankstube nur den einen Plan gehabt haben, mich so schnell wie möglich in die Festung zurückzuschicken, damit sie umso eher ihre rohen Späße treiben konnten."
Rosalind riss erschrocken die Augen auf. Das stimmte nicht, und sie würde es bestreiten, und dennoch kam es der Wahrheit gefährlich nahe. Augenscheinlich glaubte er jedoch nur, sie wolle ihm seine früheren Klagen über den Lärm und die Saufgelage seiner Leute im Wirtshaus heimzahlen. Mühsam fasste sich Rosalind wieder.
"Bitte, Mylord, Ihr tut mir weh."
Nick stellte sie wieder auf die Füße, hielt sie aber nach wie vor fest.
"Ich schwöre, dass nichts Dergleichen in meiner Absicht lag", fuhr Rosalind fort. "Eure Vorwürfe sind sehr ungerecht. Es ist nur … wir plagen uns so ab, um unsern Lebensunterhalt mit dem Gasthof zu verdienen. Das wäre vorbei, wenn ich erwachsenen Männern die Krüge zuteilen müsste. Sie wollen doch nur ein bisschen Abwechslung nach der Arbeit."
Nicks Miene verfinsterte sich, dennoch nickte er. "Wir sind beide enttäuscht, dass die Dinge heute Abend nicht so verlaufen sind, wie wir es gewünscht hätten. Es wird sich eine andere Gelegenheit ergeben. Ihr reitet jetzt am besten nach Hause zurück. Ich werde einen der wachhabenden Soldaten mitschicken."
"Ich versichere Euch, ich kann allein reiten."
"Nicht heute, da Männer unterwegs sind, die Euch zu nahe treten könnten."
Er half ihr beim Aufsteigen. Männer, die Euch zu nahe treten könnten! Diese Worte klangen in Rosalinds Gedächtnis nach. Sie, die immer so vorsichtig war, hätte es beinahe zugelassen, dass man ihr zu nahe trat, und zwar eben dieser Mann, der jetzt vor ihr stand. Neben dem König war er der einzige, den sie jemals gehasst hatte. Aber sie fürchtete ihn auch. Nun, da sie seine sinnliche Macht über sie kennen gelernt hatte, würde sie in Zukunft besser auf der Hut sein.
Voller quälender Unruhe lag Rosalind in dieser Nacht zusammengerollt in ihrem Bett. Die Erinnerung daran, wie schrecklich daneben ihr Plan gegangen war, Nick heute Abend zu überlisten, marterte sie. Ihre Leidenschaft füreinander war so unerwünscht zum Ausbruch gekommen, und dann hatten sie sie wieder zügeln müssen, ehe sie sich trennten. Aber es würde wohl noch viel mehr geschehen, wenn die Dinge so ihren Lauf nahmen.
Zudem peinigte Rosalind die Ungewissheit, ob bei der Übernahme der Schmuggelware alles planmäßig gelaufen war; doch sie wagte nicht, das Haus zu verlassen, um sich Gewissheit darüber zu verschaffen.
Plötzlich fuhr sie empor. Jemand warf Steinchen gegen das Fenster. Wat? Hal oder Alf? Sie wickelte sich die Decke um den Körper, lief zum Fenster und stieß es auf.
" Ring-a-ring of rosies ", flüsterte Alf.
" Pocket full of posies ! Wie ist es gelaufen?"
"Gute Ware, sicher verstaut. Pierre sendet dir einen besonderen Gruß. Aber als wir das Zeug versteckt haben, schien es mir, als fehlte etwas."
"Geh heim und mache dir keine Gedanken. Ich sehe morgen nach. Pass auf, Lord Spencer ist noch unterwegs!"
"Ist bei dir auch alles in Ordnung?"
"Selbstverständlich. Gute Nacht."
"Und noch etwas, Rosalind. Ich hörte, dass Putnam nach Einbruch der Dunkelheit ins Dorf gekommen ist, doch sein Pferd steht nicht im Stall. Ich glaube nicht, dass von ihm Schwierigkeiten kommen könnten, indes solltest du es trotzdem wissen."
Rosalind versuchte, die Mitteilung irgendwie einzuordnen, doch sie fühlte sich zu müde dazu. Es war nicht Putnams normaler Besuchstag in Deal, und er war ja so ein Gewohnheitsmensch. Nick hatte ihn bestimmt nicht rufen lassen. Aber wenn er nach Deal gekommen war und sein Pferd stand nicht im Stall, wo war er dann?
"Sei gewiss, ich werde mich sowohl vor Putnam als auch vor Seiner Lordschaft in Acht nehmen. Wecke Wat deswegen nicht auf."
"Dann schlaf gut für den Rest der Nacht. Ich sage es Wat morgen." Alf verschwand wieder in der Dunkelheit.
Rosalind schloss das Fenster und lehnte sich erleichtert dagegen. Ob nun die Ladung vollzählig war oder nicht – der erste Schmuggelhandel direkt unter der Nase des Lord Lieutenants hatte
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