Historical Exklusiv Band 06
würde.
Rosalind aber sagte zunächst gar nichts, denn sie glaubte zu träumen. Sie war auf ein weiteres rüdes Verhör durch Nick gefasst gewesen. Sie hatte es gefürchtet und sich auf neue Forderungen und Drohungen vorbereitet. Doch was sie jetzt sah, erweckte in ihr den Wunsch zu weinen und zu lachen – und ihm zu vertrauen. Es gab ihr einen winzigen Schimmer von Hoffnung.
"Dann werdet Ihr also mit uns beisammen sein?" fragte Nick. "Es würde mir sehr viel bedeuten."
Es würde mir sehr viel bedeuten. Seine Worte hallten in ihren Gedanken wider. Steif und immer noch etwas verwirrt nickte Rosalind. Sie wollte reden und sich in Nicks Arme werfen, Närrin, die sie war. Doch Meg eilte auf sie zu und umschlang sie zärtlich.
"Wir haben diesen einen besonderen Abend für uns – Waffenruhe hat er versprochen!" flüsterte sie in das Ohr der Schwester. "Rosie, o Rosie, vielleicht kann das ja ein neuer Anfang werden …"
"Zu spät …", murmelte Rosalind, ehe sie Megs Wange küsste.
"Kein Geflüster, ihr zwei, wenn es nicht über die Weihnachtsgeschenke ist", sagte Franklin etwas verlegen. "Alles, was uns jetzt noch fehlte, wäre Seine Majestät König Heinrich höchstselbst, um als Gabe eine Begnadigung für alle auszusprechen."
"Es wäre wohl vergebens, auf eine solche Gnade zu hoffen, Franklin", meinte Nick, ohne den Blick von Rosalind zu wenden. Er fürchtete, dass eine so freundliche Erwähnung des Königs einen Schatten auf den Abend werfen würde, doch Rosalind schaute ihn ruhig und ohne Aufbegehren an. Sie sieht aus wie ein Engel, dachte er, mit dem schönen goldenen Haar und den zarten Schultern. Der Feuerschein schien einen Strahlenkranz um ihr Haupt zu weben. Und dazu dieser unbeschreibliche Blick wie aus einer anderen Welt auf ihrem lieblichen Antlitz!
"Leider stehe ich hier ohne Gaben für euch", sagte Rosalind und hielt immer noch Megs Hand fest. "Aber ich bin dankbar für … all das hier", fügte sie hinzu und umschrieb den kleinen Raum mit einer anmutigen Handbewegung.
Sie würde jede Hofdame in den Schatten stellen, stellte Nick insgeheim fest und kam näher auf Rosalind zu. Keine könnte ihr das Wasser reichen mit ihrem klaren Verstand, ihrer Leidenschaftlichkeit, ihrer Schönheit.
"Ich danke Euch, Mylord. Was immer Ihr vorhabt, ich danke Euch für diesen lieblichen Anblick inmitten von Angst, Streit und Pein."
"Dann kommt und setzt Euch und lasst uns miteinander Frieden schließen, und wäre es auch nur für eine kurze Weile."
Rosalind ließ sich zu Tisch führen und nahm neben Nick Platz. Frieden, dachte sie. Sicherlich glaubte er nicht, er könne plötzlich ihr Vertrauen erlangen, und er wollte sie wohl auch nicht in einen Rausch versetzen, selbst wenn er jetzt einen Becher randvoll mit rotem Wein füllte. Und dennoch schien es ein Abend der Zuversicht zu sein, eine Nacht, um sich an der Liebe zu berauschen. Jede Minute will ich bewahren, schwor sie sich, was mir auch immer widerfahren wird, wenn Meg und Franklin gegangen sind, das Holz im Kamin heruntergebrannt ist und Nick mich wieder mit harten und bösen Blicken bedenkt.
"Auf die Zukunft von Deal!" schlug Nick einen Trinkspruch vor.
Langsam und feierlich tranken alle von ihrem Wein, so als wollten sie noch abwarten, was der andere tun würde.
"Und auf den König!" Nick stieß gegen Rosalinds Becher, und als sie zögerte, sagte er ruhig: "Es ist ein und dasselbe, Rosalind. Die Dinge können und werden sich ändern mit unserer Hilfe und, wie ich hoffe, auch mit der Hilfe Seiner Majestät. Auf den König!"
Und da machte Rosalind Nick das schönste Weihnachtsgeschenk. Sie nickte! Eingedenk ihrer Liebe zu Nick Spencer, die sie auf immer tief in ihrem Herzen hegen würde, nahm sie einen Schluck zu Ehren des Königs.
11. Kapitel
Noch brannte das Kaminfeuer lichterloh, doch Rosalind wusste, dass der Abend voller Friede und Freundschaft beendet war. Unbewegt gab sie Meg an der Tür den Abschiedskuss, und eilig verschwand Franklin mit seiner jungen Frau in dem schwach erhellten Gang. Nick machte die Tür hinter den beiden zu und schob den Riegel vor. Er kann doch wohl nicht vorhaben, mich heute Abend noch zu verhören, dachte Rosalind, nicht nach diesem frohen Beisammensein.
"Lass uns die Stühle an den Kamin rücken, Rosalind. Wir beide haben uns noch viel zu sagen."
Jeder Muskel in Rosalinds Körper spannte sich. Nick stellte die Stühle einander gegenüber, und Rosalind setzte sich auf den ihr zugewiesenen Platz. Bis jetzt hatte
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