Historical Exklusiv Band 06
Frauen übrig, die zu vorwitzig sind, Lord Lieutenant von Deal!"
Schnell sank Rosalind in einen tiefen Knicks vor dem König.
Heinrich VIII. trat näher und blickte in dem Dämmerlicht auf sie herab. "In der Tat, ich kenne Euch, nicht wahr, meine junge Dame? Cromwell, zieht die Vorhänge auf!" sagte er befehlend wie zu dem niedrigsten Lakaien. Der Großkämmerer schäumte vor Empörung, doch er gehorchte eilends.
Die Strahlen der Morgensonne tauchten Rosalind in goldenes Licht. Ihr blondes Haar und das gelbbraune Samtgewand schienen zu leuchten. Leicht zerzaust vom Wind, wirkte sie sehr mädchenhaft und blickte durch ihre dichten, erstaunlich dunklen Wimpern furchtlos zu dem König auf. Nick und Cromwell warfen sich böse Blicke zu, und Shanks, noch mit dem Knebel im Mund, ließ den Kopf hängen. Aber dieser Augenblick gehörte allein dem König von England und der kleinen Rosalind aus Deal.
"Was habt Ihr mir zu sagen?" fragte der Herrscher mit milder Strenge.
"Euer Gnaden, ich bedaure, dass unsere erste Begegnung so von Verwirrung gezeichnet war", begann Rosalind. "Wie lange habe ich auf die Gelegenheit gewartet, Euch mein Herz ausschütten zu können. Und dann – gestern Abend – ein solches Missverständnis! Es war natürlich mein Fehler."
"O ja", erwiderte der König. "Indes habt Ihr Anna von Cleve nur einen Dienst erwiesen. Es scheint, dass mein Großkämmerer, der sich über jede Kleinigkeit den Kopf zerbricht, vergessen hatte, einen Sprachkundigen für die Prinzessin zu besorgen."
Dieser geringfügige Tadel an Cromwells Adresse gab Rosalind nichtsdestoweniger neue Hoffnung. Vielleicht würde alles gar nicht so schlimm werden. Aber sei es, wie es wolle, sie war jetzt hier und musste für Deal kämpfen – und für Nick.
"Und Ihr sagtet, Ihr hättet mir gern Euer Herz ausgeschüttet?" fuhr der König fort und reichte ihr gnädig den Arm. Anmutig legte Rosalind ihre Hand darauf.
"Ich wollte Euch gerne sagen", begann Rosalind, "wie sehr mein kleines Dorf Eure Hilfe braucht, Euer Wohlwollen. Und nun wurde ich das Opfer von Missverständnissen so wie Euer Majestät, als Ihr mich bei Prinzessin Anna zu Gesicht bekamt."
Nick war beeindruckt von dem sicheren weiblichen Instinkt, mit dem Rosalind ihre Worte im Kampf um die Gunst des Königs auswählte. Nun erkannte er die Liebenswürdigkeit ihres Wesens, die der König an der dahingeschiedenen Königin Jane Seymour so geliebt hatte. Eifersucht packte ihn. Natürlich war sie gezwungen, dem König um den Bart zu gehen, aber musste sie deshalb so bezaubernd sein? Und wie üblich – und trotz seiner augenblicklichen misslichen Lage – kam ihr der König in derselben Art entgegen wie jeder neuen Schönheit, die an seinen Hof gebracht wurde.
Nick war indes nicht der Einzige, der von Rosalinds Unterhaltung mit dem König beeindruckt war.
"Euer Majestät", rief Cromwell, "diese Weibsperson ist der Anführer eines Schmuggelringes in Deal. Ich habe einen Zeugen dafür – Euern eigenen Steuereinnehmer aus Sandwich. Sie schachert mit den Franzosen! Und sie hat Lord Spencer zu gemeiner Komplizenschaft verführt."
"Wo ist Euer Zeuge?" fragte der König und drehte sich zu Cromwell um.
"Er fühlte das Bedürfnis, nach Deal zurückzukehren und dort für Ordnung zu sorgen – das heißt, ich habe ihm die Anweisung dazu erteilt, als er merkte, dass sein Gehilfe verschwunden war", mühte sich Cromwell ab.
"Dann werden wir den Zeugen anhören, den wir hier haben", entschied der König und nickte Lord Spencer zu. Nick nahm Shanks den Knebel ab, und der armselige Feigling gab ohne irgendeine Nachhilfe alles von sich, was er wusste.
"Der Bursche lügt!" Mit diesem Ausruf unterbrach Cromwell mehrmals die Erzählung. "Sie haben den Strolch bedroht oder bestochen!"
"Ihr dürftet in der Tat am besten in der Lage sein, das zu beurteilen", gab der König scharf zurück.
Cromwell schoss wütende Blicke auf Rosalind und Nick, wagte jedoch keine Widerrede.
Der König wies Rosalind einen Schemel zu Füßen seines großen geschnitzten Lehnstuhles an, während Nick und Cromwell zu Seiten des Königs standen.
"Wer sagt nun die Wahrheit, Mistress, dieser Spitzbube oder mein Lord Großkämmerer?" fragte der Monarch.
"Dieser Spitzbube, Euer Majestät", erwiderte Rosalind und faltete die Hände um ihre Knie und richtete ihre großen, schönen Augen wie in einem inständigen Flehen auf den König. "Ich verstehe die Art des Großkämmerers nicht, aber vielleicht hat er gute Gründe zu
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