Historical Exklusiv Band 06
einfach zu peinlich. Ich kann dieses Gespräch nicht weiterführen."
James' Augen funkelten noch immer. "Ich wollte auch kein Gespräch mit dir führen, Sarah."
Sie zupfte an der grünen Decke, auf der sie saß. "Ich weiß."
Sie hatte nur wenig Erfahrung mit dem anderen Geschlecht, und nichts hatte sie auf diese Situation vorbereitet. Wie sollte man erklären, dass der kurze Augenblick des Begehrens vorüber war und nichts zurückgeblieben war außer Bedauern und Scham? Seufzend hob sie den Kopf und sah ihn an.
"Aber das kann ich auch nicht weiterführen."
"Nein?" Er sah sie lange an. "Ich denke, ich könnte dich vielleicht vom Gegenteil überzeugen."
Das könnte er! So wahr ihr Gott helfe, er könnte es tatsächlich.
"Ich wünschte, du würdest es nicht versuchen", meinte sie so würdevoll, wie es ihr unter den gegebenen Umständen nur möglich war. "Ich habe kaum die Aussicht auf eine Heirat, aber falls es doch dazu kommen sollte, dann möchte ich meinem Mann wenigstens meine Unschuld schenken."
James war stark in Versuchung. Gott allein wusste, wie sehr! Wie sie dort saß, mit wirrem Haar, die Schultern zurückgenommen, so dass sie, ganz unbewusst, ihre Brüste hob. Sie war wundervoll. Und so stolz wie die Galionsfigur am Bug eines Schiffes.
Er focht einen kurzen Kampf mit seinem schlechteren Selbst aus – und gewann zu seiner Enttäuschung.
"Ich werde mich deinem Wunsch beugen", meinte er mit schiefem Lächeln. "Diesmal jedenfalls."
Er verbeugte sich und küsste sie auf die Wange, dann verließ er die Kabine. Noch immer angespannt und erregt, ging er an Deck.
Einen Moment lang blieb er im Schatten des Kampanjedecks stehen. Er fühlte sich, als hätte er Stunden in seiner Kabine verbracht, dabei waren doch erst wenige Minuten vergangen. Die Mannschaft arbeitete noch immer schwer unter Liam Burkes wachsamem Blick, um die neue Fracht zu verstauen, die sie geladen hatten. Sampans mit den versprochenen Lebensmitteln lagen noch immer am Rumpf des Schiffes. Unter der Leitung des kleinen, untersetzten Wang Er reichten die Leute mit Trinkwasser gefüllte Schläuche und Körbe mit frischem Obst und Gemüse an Bord.
James beobachtete das geschäftige Treiben, aber seine Gedanken waren noch immer bei der Frau, die er gerade verlassen hatte. Er begehrte sie, das musste er zugeben. Er begehrte die Missionarstochter so heftig, wie er noch nie zuvor eine Frau begehrt hatte. Aber er wollte, dass sie freiwillig und gern zu ihm kam, ganz ohne Schuldgefühle.
Wenn er sie jetzt nahm, würde der Lust, die sie empfand, nur zu schnell der Makel der Sünde anhaften. Sie war unglücklicherweise ganz die Tochter ihres Vaters. Miss Sarah Abernathy würde nur dann ungehemmt mit einem Mann verkehren können, wenn sie seinen Ring am Finger trug.
Sofort verwarf James den Gedanken wieder, der ihm da ganz von selbst gekommen war. Er konnte Sarah unmöglich einen Heiratsantrag machen, selbst wenn er es wollte, was ganz gewiss nicht der Fall war. Tatsächlich konnte er überhaupt keine Frau heiraten. Wo immer man in der guten Gesellschaft seinen Namen nannte, zogen die Leute die Brauen hoch. Seine weltlichen Güter bestanden aus einem Schiff, dem Kapitänsanteil an der Fracht und einer Ruine auf einer Anhöhe, von der aus man auf den Ärmelkanal hinabsehen konnte.
Zum ersten Mal, seit er die Marine verlassen hatte, trug James schwer an seiner bewegten Vergangenheit. Er machte niemandem Vorwürfe für die Fehler seiner Jugend, niemandem außer sich selbst, und er hatte niemals bereut, dieses Leben gewählt zu haben, nachdem er die Marine hatte verlassen müssen. Auch jetzt spürte er kein Bedauern. Doch während er den Blick über das Meer schweifen ließ, konnte er das Feuer nicht löschen, das Sarah in ihm entfacht hatte.
Die Zeit und die Flut, dachte er bei sich, werden es schon richten.
Und genauso geschah es auch.
Die Phoenix ging in einem Hafen nach dem anderen vor Anker. Zweimal begegneten sie Piraten. Einmal konnten sie knapp entkommen, und beim zweiten Mal kam es zu einem Schusswechsel.
Am Nachmittag des fünften Tages an Bord stützte Sarah sich hinten mit beiden Armen am Schanzkleid ab, schloss die Augen und hielt ihr Gesicht in die Sonne. Ihre Haut prickelte von den Salzwasserspritzern, und ihre Nase war rot und verbrannt. Abgesehen von diesen leichten Unbequemlichkeiten, der steten Bedrohung durch Piraten und dem dringenden Wunsch, ihren Vater zu finden, fühlte sie sich herrlich lebendig.
Die Phoenix schien
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