Historical Exklusiv Band 06
muskulösen Iren, der ein paar Yards weiter vorn mit dem Schiffsjungen sprach, einen raschen Blick zu. Dann wandte sie sich wieder an den Kapitän.
"Nun", meinte sie mit tapferem Lächeln, "ich denke, Sie und Mr. Burke sind starke Gegner für jeden Piraten."
James lächelte und drückte ihre Hand. "So ist es richtig."
Beim Anblick seines Lächelns schien es Sarah, als presse ihr jemand das Herz zusammen. Sie konnte das nicht länger mit ansehen. Sie rollte das Hemd, an dem sie nähte, zusammen und stand abrupt auf.
"Ich spüre die Sonne", erklärte sie den anderen. "Ich werde meine Näharbeit unter Deck beenden."
Abigail sah sie besorgt an. Sie entzog Straithe ihre Hand und stand ebenfalls auf.
"Ich werde mitkommen und dir die Stirn mit einem feuchten Tuch kühlen."
"Nein!"
Abigail sah ihre Schwester erschrocken an.
"Nein", wiederholte Sarah etwas ruhiger. "Du bleibst mit Charlie an Deck und achtest darauf, dass er keinen Unsinn anstellt."
Das Letzte, wonach sie im Augenblick verlangte, war Gesellschaft. Sie liebte Abigail von ganzem Herzen. Es freute sie, dass ihre Schwester James Kerrick von Tag zu Tag näher zu kommen schien. Sie glaubte wirklich, dass eine Ehe zwischen den beiden der einzige Ausweg aus ihrer schwierigen Situation war. Aber zu sehen, wie sich dies vor ihren Augen anbahnte, weckte in ihr den Wunsch, wie eine der Katzen zu heulen, wenn Charlie ihr auf den Schwanz getreten war.
Sie nickte dem Kapitän kurz zu, ermahnte ihren Bruder ein letztes Mal und ging mit ihrer Näharbeit unter Deck.
Als die jüngere Miss Abernathy eine Stunde später nach unten kam, hatte Sarah die Kontrolle über ihre Gefühle zurückgewonnen. Abigail fand sie in der Messe, die die Schwestern mehr oder weniger als Aufenthaltsraum zwischen den Mahlzeiten benutzten. Sarah sortierte die Fäden in ihrem Nähkorb, die Charlie auf der Suche nach einer Angelschnur hoffnungslos durcheinander gebracht hatte. Bei Abigails Eintreten sah sie auf und lächelte auf deren besorgte Frage hin.
"Ja, Liebes, es geht mir schon viel besser."
"Bist du sicher? Du wirktest so blass vorhin an Deck, ich war sehr besorgt."
"Es lag nur an der Sonne. Wo ist Charlie?"
"Ich habe ihn bei Liam gelassen. Er versprach, ihn nicht aus den Augen zu lassen."
"Liam?"
"Mr. Burke." Abigail wirkte ängstlich. "Sollte ich ihn nicht so nennen, obwohl er mich darum bat? Er ist so viel älter als ich, aber so freundlich."
"Nun, ich denke, es ist nichts dabei, solange wir an Bord dieses Schiffes sind", erwiderte Sarah lächelnd. Sie klopfte neben sich auf die Bank. "Komm und hilf mir, diese Fäden zu sortieren. Charlie hat sie alle in Unordnung gebracht."
Glücklich ließ Abigail sich neben der Schwester nieder. "Er ist ein Nichtsnutz, viel abenteuerlustiger, als Harry oder Giles es je waren. Ich weiß nicht, wie wir während dieser Reise mit ihm fertig werden wollen."
"Wir werden es versuchen müssen", erwiderte Sarah.
Im Stillen dankte sie Gott für Charlies unerschöpfliche Energie. Sie konnte nur hoffen, dass die Eskapaden des Jungen sie etwas von der wachsenden Freundschaft zwischen Abigail und dem Kapitän ablenken würden.
Sie ahnte nicht, wie prophetisch dieser Gedanke war. Am nächsten Nachmittag schon zerstörte der muntere Sechsjährige Sarahs mühsam gewahrte Ruhe mit der Kraft eines Vierundzwanzigpfünders, der in unmittelbarer Nähe abgefeuert wurde.
Die Katastrophe ereignete sich kurz vor der Teezeit.
Sarah hatte diese englischste aller Gewohnheiten eingeführt, den Nachmittagstee, in dem Versuch, etwas wie Familienroutine für ihre Geschwister einzuführen in dem plötzlichen Chaos ihres Lebens. Seit einer Woche saß sie dieser kleinen Zeremonie vor, die in der Messe um Punkt vier Uhr nachmittags stattfand. John Hardesty spendierte frischen Tee aus dem Frachtraum. Der Kapitän und Mr. Burke und die anderen Mannschaftsmitglieder steuerten Schiffszwieback und kostbare Vorräte bei. Sarah schenkte Abigail und Charlie und dem, der ihnen Gesellschaft leistete, ein.
Es war alles sehr höflich und sehr zivilisiert.
Normalerweise jedenfalls.
An diesem besonderen Nachmittag saßen nur Sarah und Abigail an dem polierten Mahagonitisch. Der Kapitän war beschäftigt, und Mr. Burke, der während der Nacht und bis zum frühen Morgen Wache gehabt hatte, schlief.
"Wo ist Charlie?" fragte Sarah und goss kochendes Wasser über die köstlichen grünen Blätter, die in der blau-weißen Porzellantasse lagen. Der Duft stieg ihnen verlockend in die
Weitere Kostenlose Bücher