Historical Exklusiv Band 06
Nase.
"Er ist bei John Hardesty in den Mannschaftsquartieren", erwiderte Abigail und schnupperte genüsslich. "Er versprach, hierher …"
Abigail verstummte, als die Tür geöffnet wurde. Gleich darauf stürzte Charlie mit dem gewohnten Temperament herein.
"Es tut mir Leid, dass ich zu spät komme. Ich war bei John Hardesty, aber er musste den Küchenherd anheizen, und dann zeigte mir Master Rope, wo die zusätzlichen Segel verstaut sind, und wir fanden eine tote Ratte, so groß wie ein Hund. Das hättest du sehen sollen, Sarah! Es ist bestimmt die größte Ratte, die mir je über den Weg gelaufen ist. Master Rope hätte dich bestimmt einen Blick darauf werfen lassen, wenn er sie nicht über Bord geworfen hätte."
"Ich bin sicher, das hätte er, wenn ich es gewollt hätte, was ganz gewiss nicht der Fall ist. Geh und wasch dir Hände und Gesicht, Charlie. Und kämm dein Haar. Der Tee ist fast fertig."
Der Junge machte auf dem Absatz kehrt, um hinauszulaufen, dann drehte er sich noch einmal um. "Du wirst nie erraten, was ich in der Segelkammer gefunden habe."
"Ich glaube nicht, dass ich das hören möchte", erwiderte Abigail und erschauerte leicht.
Eifrig griff Charlie in seine Tasche und zog eine Sammlung eselsohriger Blätter heraus. "Es ist so etwas wie ein Buch. Ich wollte es gerade Master Rope zeigen, aber dann hat die Glocke geläutet, und ich musste hierher kommen. Vielleicht können wir das anstelle von König Artus lesen?"
"Vielleicht", erwiderte Sarah. "Aber erst nachdem du dich gewaschen hast."
Der Junge warf das locker gebundene Buch auf den Tisch und rannte zu der Kabine, die er mit den Schwestern teilte. Während Sarah nachsah, ob der Tee lange genug gezogen war, griff Abigail nach dem dünnen Buch und schlug es auf. Sie runzelte die Stirn, während sie die handgeschriebenen Zeilen las. Dann las sie noch ein Stück weiter und schließlich schrie sie leise auf.
"Sarah!"
Erschrocken hob die Schwester den Kopf. "Was ist, Liebes?"
"Sieh … sieh dir dieses … dieses Buch an!"
Alarmiert von dem entsetzten Ausdruck in Abigails Gesicht, stand Sarah auf und lief um den Tisch herum. Sie nahm das Buch und warf einen Blick hinein.
"Der Sprung der wilden Pferde", las Sarah verwundert. "Eine Stellung, in der der Mann sich hinten platziert und die Frau, bereit, seine himmlische Gabe zu empfangen, vor ihm kniet, wobei sie beide Hände – oh, gütiger Gott!"
Erschrocken überflog sie den Rest der Seite.
"Ein Affe im Spalt des Zimtbaumes", las sie mit schwacher Stimme. "Zwei Esel im dritten Mond des Frühlings."
Entgeistert starrte Sarah auf die akribische Schrift. Wenn sie sich nicht täuschte, hatte Charlie gerade die Übersetzung des Handbuchs fürs Schlafzimmer zu Tage gefördert, von dem John Hardesty ihr einst erzählt hatte.
"Rückwärts fliegende Enten." Sie machte große Augen. "Gütiger Himmel!"
"Hör auf!" rief Abigail, die so bleich war, wie Sarahs Gesicht hochrot. Tränen rannen ihr über die Wangen. "Wie abstoßend das ist!"
Von der Verzweiflung ihrer Schwester aus den eigenen Betrachtungen geschreckt, blickte Sarah auf und schob das Büchlein in ihre Rocktasche.
"Abigail, Liebling, weine nicht." Sie ließ sich neben der Jüngeren auf den Stuhl fallen und nahm ihre Hand. "Hör zu, Kleines. Es ist nur ein Buch. Eine Übersetzung aus dem Chinesischen, glaube ich."
"Ein Buch! Das ist eine Sammlung des Bösen! Kein Mann würde … würde … keine Frau würde zulassen, dass …"
Der entsetzte Ausdruck auf dem Gesicht der jüngeren Schwester stimmte Sarah nachdenklich. Stets hatte sie versucht, die zarte, empfindsame Abigail vor der rauen Wirklichkeit zu beschützen, so gut sie konnte. Jetzt fragte sie sich, ob sie der Schwester damit vielleicht einen Bärendienst erwiesen hatte. Sie selbst wusste von den intimen Aspekten der Ehe wenig genug, Abigail hatte gewiss kaum eine vage Vorstellung davon.
Doch Abigail wird bald heiraten, dachte Sarah. Ihre Schwester sollte nicht vollkommen unwissend ins Ehebett steigen müssen, auch wenn der Mann, zu dem sie sich legte, in der Kunst der Liebe sehr erfahren und geschickt war. Wie … wie James eben. Sie verdrängte den Schmerz, den dieser Gedanke ihr verursachte, und versuchte, die Situation zu retten.
"Abigail", begann sie zögernd. "Vielleicht ist einiges in diesem Buch ein wenig … nun, extrem. Aber verheiratete Menschen können sich auf … na ja, auf verschiedene Arten begegnen."
Abigail hob den Kopf. "Auf so entsetzliche, unwürdige Art?
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