Historical Exklusiv Band 36
Northempston, sonst ein harter Mann, erwies sich als die Güte selbst.
Robert war aufgefallen, dass er in all den Jahren und besonders nach dem Tod seiner letzten Erben während der Pestepidemie an Strenge verloren hatte. Vielleicht bedauerte er nun die Härte, die er seinen Kindern gegenüber gezeigt hatte.
Mehr als einmal hatte Lord William sein Leben gerettet, denn in jungen Jahren hatte er oftmals Vorsicht und Vernunft außer Acht gelassen, wenn ein Abenteuer gelockt hatte. Erst mit den Jahren hatte er gelernt, Verantwortung zu tragen und sein Temperament zu zügeln.
Nun war er sein eigener Herr, ein Ritter von hohem Rang und seit dem Tod seines Vaters vor einigen Jahren Baron. Der Earl kannte seinen Wunsch, sich wieder zu verheiraten und einen Erben zu zeugen, und hatte ihm den Vorschlag gemacht, die uneheliche Nichte von Heskith zu heiraten und so den Besitz von Merlinscrag, das sich im äußersten Westen Englands befand, der Baronie von St. Aubin hinzuzufügen.
Er hatte zugestimmt, den Willen des Earls zu erfüllen, ohne an sich selbst zu denken. Zu seiner tiefen Erleichterung schienen seine Bedenken bei dieser Heirat gering. Das Mädchen war nicht hässlich, sie hielt auf Reinlichkeit und hatte eine gute Erziehung genossen.
Zweifel ob ihrer Herkunft waren für einen Mann seines Standes ohne Bedeutung. Ihre Mutter war von edler Geburt und hatte bei Hofe der erst vor Kurzem verstorbenen Königin Philippa gedient. Und auch ihr Vater sei, so sagte man, ein Höfling gewesen. Nur böse Zungen hatten anderes behauptet.
Als er seinen Blick auf sie richtete und ihren offenen, klaren Blick traf, entdeckte er darin die ängstliche Nervosität, mit der sie ihn betrachtete. St. Aubin fühlte Mitleid mit seiner zukünftigen Braut, die, züchtig im Kloster erzogen, nun zum ersten Mal dem Manne gegenüberstand, den andere dazu ausersehen hatten, ihr Gemahl zu sein. Er war im Vorteil, denn er hatte sie genau betrachten können, als er ihr am Ende des Turniers ihre Farben zurückgab. Nun zwang er sich zu einem beruhigenden Lächeln.
Das Blut schoss in ihre Wangen. Ihre Stimme klang rau vor Erregung, als sie ihn grüßte. Sie versuchte zu lächeln, aber nur ihre Mundwinkel zuckten leicht. Unter seinem prüfenden Blick wich die Farbe aus ihrem Gesicht. Goldener Schimmer und geheimnisvolle Schatten wechselten im flackernden Kerzenlicht auf ihrer hellen Haut.
Um ihre Verwirrung zu verbergen, senkte sie den Blick und verbarg ihre grüngrauen Augen unter den Lidern. Der Kranz ihrer Wimpern warf einen dunklen Schatten auf den zarten Teint ihrer hohen Wangenknochen. Ihr Kinn war kräftig und eckig, doch das brachte ihre feinen Züge nur noch mehr zur Geltung. Die schmale Nase, deren Spitze aufwärts strebte und in einer zarten Rundung endete, gefiel ihm am meisten.
Man konnte sie wohl eher apart nennen als schön. Seine erste Frau war eine Schönheit gewesen. Sie und das Kind, das nicht von ihm stammte, starben vor zehn Jahren, als die Pest zum zweiten Mal im Lande wütete. Indes, er würde Gott danken, wenn seine zweite Frau mehr Anstand als Schönheit besäße.
Robert war überzeugt, dass Seine Lordschaft eine gute Wahl für ihn getroffen hatte. Er hatte auch von dem Manne, dem er seit seiner Kindheit vertraute, nichts anderes erwartet. Vielleicht war es ihm diesmal vergönnt, das Glück und die Zufriedenheit einer Ehe zu genießen, da seine Braut nicht unbedacht von seinem egoistischen Vater, sondern mit Sorgfalt von Seiner Lordschaft gewählt worden war. Dieses Mal würde er auch dafür Sorge tragen, dass seine Frau ihm einen wahren Erben gebar. Er würde sie nicht allein lassen wie seine erste Frau Jane, bevor nicht sein Kind unter ihrem Herzen wuchs.
Die schmerzlichen Gedanken an die Vergangenheit ließen sein Lächeln verlöschen, und sein Blick schweifte in die Ferne. Er wollte an diesem Mädchen Gefallen finden, denn sie sollte ihm einen Sohn und Erben schenken, doch wollte er seine Gefühle unter Kontrolle halten. Im Überschwang der Jugend hatte er sich in seine erste Frau verliebt, und sie hatte es ihm mit Verrat vergolten. Noch einmal wollte er diese schmerzvollen Erfahrungen nicht machen.
Genevra sah, wie sein Lächeln schwand und sein Gesicht wieder den kalten, harten Ausdruck annahm. Sie erschauderte. Doch sie hatte hinter seine Maske geblickt, hatte erkannt, dass er ihr nicht ganz ablehnend gegenüberstand, und diese Erinnerung barg sie tief in ihrem Herzen. Sie wollte alles tun, um das Wesen ihres Gatten
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