Historical Exklusiv Band 36
zu ergründen, und ihm Freude und Liebe entgegenbringen.
Sie mochte zwar romantisch sein, eine Träumerin war sie jedoch nicht. Sie gab sich keinen Illusionen hin, dass ihre Liebe in gleicher Art erwidert wurde. Erst musste sie sein Vertrauen und seine Liebe erringen, und das Misstrauen in seinen Augen sagte ihr, dass sie sich keine leichte Aufgabe erwählt hatte. Es musste einen Grund geben für seine Zurückhaltung, und diese Rätselhaftigkeit seines Charakters ließ ihn noch verführerischer scheinen. Er war der Mann, den sie liebte, und kein anderer. Sie wollte alles tun, die Erwartungen, die man in sie setzte, zu erfüllen.
Der offizielle Akt der Verlobung fand in einem Raum statt, der sich hinter der Estrade befand. Dieses Gemach benutzte der Earl, um sich zurückzuziehen, wenn er bei Gericht den Vorsitz führte. Die erlauchten Gäste, die der Zeremonie beiwohnen durften, folgten Seiner Lordschaft in den kleinen, spärlich möblierten Raum, dessen nüchterne Atmosphäre nur durch einige Teppiche an den steinernen Wänden aufgelockert wurde.
Genevra, die ihre Farbe wiedergewonnen hatte, und St. Aubin bezeugten mit ernster Stimme ihre Bereitschaft zur Verlobung. Ihre Hand zitterte, als sie sie in die Seine legte, und ein Schauer rann durch ihre Glieder. Roberts Reaktion kam unerwartet für beide. Er drückte fest ihre Hand und schenkte ihr ein warmes, beruhigendes Lächeln.
Dieses unerwartete Gefühl für seine zukünftige Gemahlin erstaunte ihn, aber warum sollte er kalt bleiben? In seinem Innersten musste er eingestehen, welche Scheu ein jungfräuliches Mädchen empfinden musste, wenn sie ihr Leben mit einem völlig Fremden verbinden sollte, einem Mann, der älter und erfahrener war als sie selbst.
Röte stieg von Neuem in Genevras Wangen, ihre Nasenflügel vibrierten, ihre Lippen öffneten sich, und ihr Atem wurde schneller. Robert atmete schwer. Frauen und Begierde waren ihm nicht fremd, und er fühlte, dass seine zukünftige Gemahlin unschuldige, noch nicht geweckte Leidenschaften ins Ehebett bringen würde.
Indes, sie hatte sich schnell wieder gefasst, und mit einem festen Blick in seine Augen sprach sie den Treueschwur, dass sie aus eigenem freien Willen Robert St. Aubin zu ihrem Herrn und Gemahl nehme und gewillt sei, ihn am kommenden Sonntag im Angesicht der Heiligen Kirche zu ehelichen.
Die Würfel waren gefallen, ihre Zukunft war entschieden. Nur der Tod oder eine Katastrophe konnte sie den Schwur brechen lassen, den sie eben feierlich geleistet hatten. Dieses Gelöbnis war so bindend wie die Ehe. Genevra fühlte jedoch, dass sie mit Zuversicht und Hoffnung in ihre Zukunft blicken konnte.
Ungeachtet der kalten Miene, die St. Aubin nach außen hin zeigte, hatte er sehr wohl ihre Nervosität und Aufregung gespürt. Warum sonst gab er ihr diesen versichernden Händedruck, der sie bis ins Innerste aufwühlte? Nun wusste er auch, wie sehr seine Berührung sie verwirren konnte. Ihre Reaktion ließ einen Ausdruck in seinen Augen aufleuchten, der sie im Innersten erzittern ließ.
Es blieb ihr nicht viel Zeit, darüber zu grübeln. Ihr Verlobter wandte sich seinen Freunden zu, um ihre Glückwünsche entgegenzunehmen, und der Earl of Northempston trat zu ihr. Ihre Tante, die sich eben an ihre Seite drängen wollte, wandte sich zu Genevras Erleichterung anderen zu.
Northempston ergriff ihre Hand und küsste sie zart auf die Stirn.
„Ich bin hocherfreut, dass unsere Bekanntschaft zu dieser Verbindung führte, Mistress.“
Genevra erwiderte seine Worte mit einem Knicks. Der Earl flößte vielen Menschen Furcht ein, doch sie hatte niemals Angst vor ihm empfunden. „Ich hoffe, Euren Erwartungen gerecht zu werden, Mylord.“
Der Earl tätschelte die Hand, die er noch immer in der seinen hielt. „Ich sehe keinen Grund, dass Ihr mich enttäuscht. Lord St. Aubin wurde in meinem Haus erzogen und ist ein Mann von Ehre und Bildung.“ Er lächelte. „Ihr verfügt selber über ein großes Wissen und solltet also vieles mit ihm gemein haben.“
„Ich werde mein Bestes tun, um ihm die Gemahlin zu sein, die er verdient, Mylord.“
„Ich erwarte nichts weniger von jemandem, der von der Mutter Oberin so warm empfohlen wurde, meine Liebe.“ Genevra wurde rot, aber antwortete nicht. Northempston zögerte einen Augenblick, bevor er weitersprach. „Ihr wisst vielleicht nicht, dass St. Aubin jung geheiratet hatte und seine Frau und sein Sohn vor zehn Jahren von der Pest dahingerafft wurden. Bis jetzt hatte er
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