Historical Exklusiv Band 36
geschehen, Alida?“
Alida lächelte. „Robert war schon immer verrückt nach Pferden und saß im Sattel, bevor er gehen konnte. Er war auf Besuch zu Hause, als er eine Hecke fand, die eine Herausforderung für jeden Reiter war, denn dahinter befand sich ein Wassergraben und unmittelbar danach eine Steinmauer, die Überreste eines alten Gebäudes. Es war ein schwieriges Hindernis, und er war überzeugt, dass er es bezwingen konnte. Und auch ich hatte genug Vertrauen zu meinem Pferd und zu meinen Fähigkeiten. Ich bin mit offenen Augen in mein Unglück gerannt …“
„Und habt nie wieder etwas gesehen“, sagte die Lady grimmig.
„Nein. Ich war indes zehn Jahre älter als Robert, Mutter, es war mein Fehler, dass ich ihm erlaubt habe zu springen und ihm dann gefolgt bin. Es war eine Herausforderung. Bedienstete waren mit uns, doch niemand, der mich davon abhalten konnte.“
Sie schwieg, und ihre blauen Augen starrten in den Raum, sahen aber nur die Bilder der Vergangenheit. „Er flog wie ein Vogel mit seinem Pferd über das Hindernis. Es sah so einfach aus. Ich habe mein Pferd Noble über die Hecke gesetzt, ohne Schwierigkeiten, die Mauer dahinter war jedoch zu viel für ihn. Er stolperte. Ich fiel vom Pferd und schlug mit dem Kopf auf der Mauer auf. Ich danke Gott, dass ich noch am Leben bin. Robert allerdings hatte eine gehörige Tracht Prügel bezogen.“
„Die er auch verdient hatte. Ihr wart zu einem zurückgezogenen Leben hier in Thirkall verdammt und hattet jede Aussicht auf einen Mann verloren.“
Alida beachtete den Einwurf ihrer Mutter nicht. „Ich konnte nicht mehr an den Hof zurückkehren, das ist wahr. Doch ich reite noch immer mit einer Begleitung, und es gab einige Freier. Dass ich keinen von ihnen geheiratet habe, ist meine eigene Entscheidung. Ich bin zufrieden.“
„Ihr wart bei Hofe?“, fragte Genevra mit wachsendem Interesse.
„Ja, meine Liebe. Ich kannte Eure Tante.“
„Meine … Tante?“ Genevra war verwirrt, denn sie hatte keine Tante, außer … aber Alida konnte doch unmöglich Tante Hannah meinen?
„Ja. Die Tochter von Baron Heskith, Margaret. Er ist wohl schon gestorben, und Euer Vater ist der Baron …“
„Ihr irrt, Lady. Ich bin Margarets Tochter, nicht die des jetzigen Barons. Wusstet Ihr das nicht? Hat Robert nichts davon gesagt? Ich bin unehelich geboren.“
Die Lady stieß einen erbosten Laut aus. „Das hat er nicht getan! Mein Sohn hatte also die Dreistigkeit, einen Erben zu zeugen, dessen Mutter ein Bastard ist! Robert war schon immer unverschämt!“
Genevra fühlte, wie Zorn in ihr hochstieg. Sie wusste nun, warum die Lady nicht zur Hochzeit geladen worden war und warum er ihr nicht mitgeteilt hatte, wen er heiratete. Sie stand offensichtlich schon immer ihrem Sohn sehr ablehnend gegenüber und hätte wahrscheinlich ein öffentliches Spektakel daraus gemacht. Trotzdem empfand er für seine Mutter Zuneigung und Wertschätzung. Warum sollte er sonst von ihr sprechen, wie er es tat, und zu ihr eilen, wenn er glaubte, sie sei krank und nach ihm verlangte?
„Er tat es, Mylady, auf Verlangen des Earl of Northempston“, sagte sie. „Zu dieser Zeit ahnten wir es noch nicht, Seine Lordschaft hat indes bestätigt, dass er wusste, dass ich seine Enkeltochter bin. Er hatte meine Erziehung mit Interesse verfolgt. Trotz meiner niedrigen Geburt will er all seine Besitztümer mir hinterlassen. Und er bat den König um die Gunst, Robert nach seinem Tod mit der Grafenwürde zu belehnen.“
Genevra hatte sich bemüht, ruhig zu sprechen. Sie konnte jedoch einen gewissen Triumph in ihrer Stimme nicht unterdrücken. Zu Genevras großer Freude starrte die Lady sie erstaunt an. Sie schien keine Worte zu finden. Alida aber beugte sich mit strahlendem Gesicht vor und streckte ihre Hand nach Genevra aus.
„Margarets Tochter? Oh, meine Liebe, ich wusste, dass sie ein Kind erwartete. Habt Ihr wirklich all diese Jahre geglaubt, unehelich geboren zu sein?“
„Ja, Alida. Meine Mutter hatte nie etwas anderes behauptet.“
„Ich kann Euch versichern, dass Ihr es nicht seid!“
„Aahh!“ Genevra schloss die Augen und stieß einen tiefen Seufzer der Erleichterung aus. „Jeder hielt mich für einen Bastard. Mein Großvater, Baron Heskith, war immer gütig zu mir, die Frau meines Onkels steckte mich jedoch nach seinem Tod in ein Kloster. Erst vor Kurzem begann ich zu glauben, dass meine Mutter heimlich mit meinem Vater in der Ehe verbunden gewesen sei.“
„Wer war er?“,
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