Historical Exklusiv Band 36
die geringste Mühe, ihm Disziplin beizubringen.“
Helen lächelte sanftmütig wie immer. „Ich mache mir keine Vorwürfe, Adam. Ich bedaure nur, dass er so geworden ist. Und ich will auch nicht seinem Vater die Schuld geben, obwohl ich zugeben muss, dass er schlecht beraten war. Er hatte solche Angst, Vincent zu verlieren, so wie er seine anderen Kinder verloren hatte.“
Adam blieb vor ihr stehen und sah sie traurig lächelnd an. „ Deine Kinder. Du solltest lieber Mitleid mit dir selbst haben.“
„Ich habe meinen Frieden gefunden.“ Helen berührte leicht seinen Arm und sah dann zu Catherine hinüber. Es war offensichtlich, dass Helen das Thema wechseln wollte. „Ich habe eine Einladung zu eurem Empfang bekommen. Kann ich euch irgendwie helfen?“
Ehe Catherine darauf antworten konnte, hob Charles die Hand und wandte sich an Adam. „Damit wir nicht Gefahr laufen, auch noch eingespannt zu werden, sollten wir schnellstens die Flucht ergreifen. Was hältst du davon, mit mir zu den Stallungen zu gehen und dir Catherines Jagdpferd anzuschauen?“
Bereitwillig stimmte Adam zu, und die beiden verließen den Salon. Catherine schüttelte den Kopf, nachdem sie gegangen waren. Dann lächelte sie Helen an. „Dein Bruder versetzt mich immer wieder in Erstaunen. Ich weiß nie, ob er einen Scherz macht oder es ernst meint. Früher habe ich geglaubt, er macht nie Spaß, aber inzwischen weiß ich es besser.“
Helen lachte. „So ist er schon immer gewesen. Ich war erst drei, als unsere Mutter starb. Es heißt, dass er seitdem niemals mehr seine Gefühle gezeigt hat. Aber eins kann ich dir versichern, er versteht es wie kein Zweiter, einen zu necken. Weil ich zusammen mit ihm aufgewachsen bin, habe ich gelernt zu erkennen, wann er mich hänseln will. Im Grunde ist er ein unglaublich gütiger und freundlicher Mensch – der ideale große Bruder, an den man sich anlehnen kann.“
„Das wird mir auch immer klarer. Am Anfang hatte ich den Eindruck, dass er sehr dominant und kühl ist, aber … ja, er kann sehr freundlich sein.“ Catherine schenkte Tee nach, während sie daran dachte, wie geborgen sie sich in seinen Armen gefühlt hatte.
Helen runzelte ein wenig die Stirn. „Er ist es gewohnt, für andere die Verantwortung zu tragen, und da kann er tatsächlich recht selbstherrlich sein. Das muss ich zugeben. An mir hat er es oft genug ausprobiert. Ich bin sicher, er ist gerade dabei, mit Adam in Ruhe mein Problem mit Vincent zu besprechen. Dann werden die beiden den Beschluss fassen, dass ich Adam heiraten soll, um mich vor meinem Stiefsohn zu retten.“
Catherine lächelte wehmütig. „Ich muss schon sagen, Charles ist sehr bestimmend in seiner Fürsorge um mich. Natürlich weiß ich zu schätzen, wie gut er sich um mich kümmert, aber du musst verstehen, dass ich es gewohnt bin, unabhängig zu sein. Meine Tante und mein Onkel, bei denen ich viele Jahre gelebt habe, haben sich nicht viel Mühe gemacht, mich zu beaufsichtigen.“
„Und du bist verärgert deswegen?“ Helen stellte ihre Teetasse auf das Tablett und sah Catherine aufmerksam an.
„Nein … so meine ich es nicht. Nicht verärgert. Na ja, vielleicht ein wenig. Aber auf der anderen Seite ist er so unglaublich aufmerksam und rücksichtsvoll …“
„Sodass du Schuldgefühle hast, wenn du ärgerlich bist.“ Helen lachte. „Ich verstehe dich nur zu gut.“
Catherine stimmte in ihr Lachen ein. „Ja. Genauso ist es. Vielleicht fällt es mir auch nur schwer, fortwährend auf einen anderen Menschen einzugehen. Aber so ist es wohl, wenn man verheiratet ist.“
„O ja, das liegt in der Natur der Sache. Ich glaube, das ist der Grund, warum …“ Helen zögerte weiterzusprechen.
„… du Adam eigentlich nicht heiraten möchtest“, vollendete Catherine den Satz.
Wieder herrschte Schweigen. Schließlich erwiderte Helen. „Das ist es nicht. Eigentlich will ich es ja. Ich glaube, mir geht es wie dir. Im Grunde gefällt es mir recht gut, unabhängig zu sein. Ich habe so jung geheiratet, dass ich das vorher kaum kannte.“
„Warst du unglücklich in deiner Ehe?“ Sicher hatte sie genauso wenig eine Wahl wie ich. Allerdings war das eine ausgesprochen impertinente Frage. Ich sollte mich schämen.
Catherine war drauf und dran, sich zu entschuldigen, aber Helen schüttelte den Kopf. „Nein, nicht unglücklich. Lord Lonsdale war sehr freundlich zu mir. Natürlich war ich nicht in ihn verliebt, als wir heirateten. Meinem Vater ging es nicht gut, und
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