Historical Exklusiv Band 36
aber sie hatte keine Ahnung, ob er ihre Gefühle erwiderte. Verflixt! Warum musste sie auch jedem Impuls nachgeben? Konnte sie denn nicht etwas zurückhaltender sein?
Charles hob ihr Kinn an und blickte ihr wieder ernst ins Gesicht. „Das bist du ganz gewiss nicht. Du reagierst sehr gefühlvoll – bist wunderbar herzlich – aber nicht im Geringsten dreist.“
„Nun gut, wenn es bei dir ein Lächeln ausgelöst hat …“ Ihre Unsicherheit schwand.
„Ja“, antwortete er und presste sie an sich, „du hast es geschafft, mir ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern.“ Er bedeckte ihren Mund mit zärtlichen Küssen. Schließlich gab er sie frei, und wieder spielte ein Lächeln um seine Lippen.
Voller Verwunderung berührte Catherine mit dem Zeigefinger seinen Mund. Er nahm ganz sanft die Fingerspitze zwischen seine Zähne und knabberte spielerisch daran. „Lächeln ist eigentlich gar nicht so schwierig“, sagte er schließlich. „Aber wie soll ich mir denn meinen Furcht einflößenden Gesichtsausdruck bewahren, wenn ich mich aufs Lächeln verlege?“
Catherine schmunzelte. „Ich zweifle nicht daran, dass es dir gelingen wird.“
„Wahrscheinlich. Aber du warst gerade dabei, eine Bemerkung über mein Aussehen zu machen, bevor ich dich mit meinem Lächeln unterbrochen habe.“
„Ja, du siehst sehr … wie hast du es doch gleich letzte Nacht genannt? Primitiv! Nein, das ist nicht der richtige Ausdruck. Ich würde eher sagen, du siehst irgendwie wild und ungezähmt aus.“
„Ja, findest du? Nun, dann werde ich wohl öfter Arbeitskleidung tragen müssen.“ Verlangend zog er sie wieder an sich und hielt sie einen Augenblick fest, dann jedoch legte er ihr die Hände auf die Schultern und schob Catherine entschlossen von sich. „Allerdings werde ich wohl kaum zum Arbeiten kommen, wenn ich so weitermache.“
Catherine konnte sich kaum noch das Lachen verbeißen. „Nein, aber was hast du denn eigentlich vor, dass du solche Kleidung tragen musst?“
„Ich will auf Old Buck Manor mithelfen, eine Mauer wieder hochzuziehen. Fast alle Wände sind in einem miserablen Zustand. Uns bleibt nicht mehr viel Zeit bis zum Wintereinbruch, und ich will so viel schaffen wie möglich.
„Arbeitest du öfter selbst mit?“
„Ja, ich habe mir angewöhnt, es regelmäßig zu tun. Es hilft mir, in Form zu bleiben, wie ich gerade Hardraw erklärt habe.“ Charles schüttelte den Kopf. „Er kann es kaum ertragen, wenn ich mich in alten Sachen sehen lasse.“
„Und du ziehst dir damit seine Missbilligung zu, habe ich recht?“ Catherine sah ihn amüsiert an.
„Ja, so ist es“, erwiderte er mit der ihm eigenen Ernsthaftigkeit. „Ich komme erst zum Abendessen zurück.“
Auf einmal ist er wieder eine ganz und gar Achtung gebietende Persönlichkeit, stellte Catherine fest.
Als Hawes Catherine nach ihren Wünschen für das Mittagessen fragen ließ, erfuhr sie von dem Dienstmädchen, dass der Chefkoch dabei war, ein Lunchpaket vorzubereiten, das Charles gebracht werden sollte. Aus einer Laune heraus gab sie die Anweisung, ihr Essen ebenfalls einzupacken.
Sie würde Charles bei der Arbeit überraschen, wollte ihn inmitten seiner Männer sehen, sein ernstes Gesicht, wenn er sich auf seine Arbeit konzentrierte. Und wenn sie ehrlich war, würde es auch seinen Reiz haben, das Spiel seiner Muskeln unter seinen Sachen zu beobachten.
Rasch läutete sie nach Sally und fing an, ihr Reitkostüm anzulegen. Als sie aus dem Haus trat, wartete schon James Benjamin mit ihrem Jagdpferd in der Auffahrt.
Er half ihr in den Sattel und stieg auf sein eigenes Pferd. „Ja, Mylady, wirklich ein herrlicher Tag für einen Ausritt. John David transportiert den Korb im Einspänner.“
Catherine war einverstanden, und sie machten sich auf den Weg, um sich das seltene Schauspiel eines mit den eigenen Händen arbeitenden Earls nicht entgehen zu lassen.
Es stellte sich heraus, dass sich bereits eine Menschenmenge versammelt hatte, um zu sehen, wie ein Earl sich mit niederer Arbeit abmühte. Das Wetter war klar und sonnig, ein prächtiger Spätherbsttag mit einem strahlend blauen Himmel, der sich von dem leuchtenden Grün der Hügel abhob – der ideale Tag, um draußen an der frischen Luft zu sein, ehe die Witterung umschlug und es nasskalt wurde.
Obwohl die Luft kühl war, wärmte die Herbstsonne Charles den Rücken. Er liebte körperliche Arbeit. Denn dann fühlte er sich wie befreit.
Heute jedoch hatte er ganz besondere Empfindungen.
Er hatte
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