Historical Exklusiv Band 36
anderer Kinder. Wie konnte er nur so grausam sein? Erneut brach sie in Tränen aus, dann wurde sie ärgerlich. Durfte man auf Gott böse sein? Nein. Sie wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und blickte trotzig aus dem Kutschenfenster. Sie war wütend auf ihn! Und wenn schon!
Catherine seufzte, setzte ihren Hut ab, lehnte sich gegen die grauen Samtkissen und spielte mit einer Locke. Welch ein Unsinn! Als würde Gott sich etwas daraus machen, dass sie auf ihn zornig war. Mit Wutausbrüchen würde sie jedenfalls ihr Problem nicht lösen können.
Ein Baby. Sie bekam ein Baby. Sie musste lächeln, trotz der Tränen, die wieder zu fließen begannen. Ein süßes, winziges Lebewesen. Wie sehr sie es lieben würde. Wenn nur … Oh, bitte, Gott. Bitte, lass mich nicht sterben. Lass mein Baby nicht allein. Schützend faltete sie die Hände über ihrem Leib. Gib mir Kraft. Oh, bitte, gib mir Kraft!
Charles war müde und durchgefroren. Er kam spät heimgeritten, lange nach dem Abendessen, und machte sich daran, seinen Grauschimmel abzusatteln, dankbar für das Licht und die Wärme in den Stallungen von Wulfdale.
Samuel Josiah, sein Stallbursche, nahm ihm die Arbeit mit einem vorwurfsvollen Blick ab, gerade als er angefangen hatte. Samuel würde nicht zulassen, dass Seine Lordschaft selbst das Pferd versorgte, ganz gleich, wie spät es war.
Durch eine Seitentür betrat Charles das Haus und traf Hawes. „Guten Abend, Mylord.“
Charles zog seinen Wintermantel aus und reichte ihn dem Butler. „Guten Abend, Hawes. Hat sich Lady Caldbeck schon zurückgezogen?“
„Ich bin mir nicht sicher, Mylord. Sie hat sich ein leichtes Abendessen aufs Zimmer bringen lassen. Ihre Zofe sagte, dass sie sich nicht besonders wohlfühlt.“
Unvermittelt blieb Charles stehen und sah seinen Butler besorgt an. „Sie ist krank?“
„Ich glaube nicht, dass es etwas Ernstes ist, Mylord.“ Hawes bemühte sich, ihn zu beruhigen. „Soweit ich Sally verstanden habe, ist es nur eine kleine Unpässlichkeit.“
Charles eilte bereits die Treppe hinauf. Wenn nun Catherine kränker war, als sie zugeben wollte? Wenn er es recht bedachte, war sie schon seit Tagen nicht mehr so lebhaft wie früher gewesen. Sie hatte blass ausgesehen, und … Er rief sich zur Ordnung. Es hatte keinen Sinn, sich in etwas hineinzusteigern. Dennoch verlangsamte er seine Schritte nicht.
Charles war auf seinem Pferd trotz der schneidenden Kälte nach Hause gehetzt. Er hätte in dem Gasthaus übernachten können, wo er zu Abend gegessen hatte, aber er sehnte sich nach seiner Frau. Es war ein wenig erfreulicher Tag gewesen.
Der einzige Lichtblick war die Vorfreude darauf, wie sie ihn mit einem Kuss begrüßen und umarmen würde, während er über die sanften Rundungen ihres Rückens strich. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, hatte dieses Bild ihn dermaßen gefangen genommen, dass sein Körper vor freudiger Erwartung gebebt hatte. So hatte er gar nicht mehr gemerkt, wie er in eisiger Nacht auf einem harten Sattel durch unwegsames Gelände ritt.
Als er Catherine überzeugt hatte, ihn zu heiraten, war es ihm in erster Linie auf ihre Schönheit und ihr überschäumendes Temperament angekommen. Er hatte nicht geahnt, wie angenehm das häusliche Leben sein würde. Ja, es sprach wirklich einiges dafür, eine Frau im Haus zu haben.
Charles ging gar nicht erst in sein eigenes Schlafzimmer, sondern klopfte kurz an Catherines Tür, öffnete sie einen Spalt und schaute hinein. Sie saß in einem großen Sessel am Kamin, den Ellbogen hatte sie auf die Armlehne und das Kinn auf die Hand gestützt. Nachdenklich blickte sie ins Feuer. Der Widerschein der Flammen zauberte Lichtreflexe in ihr Haar, das im Halbschatten ihr zartes Profil umspielte. Charles stand ganz still da und konnte sich nicht sattsehen.
Eine Schönheit. Eine wirkliche Schönheit.
Sie drehte sich zur Seite, als er den Raum betrat, stand aber nicht auf, um ihm entgegenzueilen. Er ließ sich seine Enttäuschung darüber nicht anmerken, ging zu ihr, kniete vor dem Sessel nieder und ergriff ihre Hände. Seine Besorgnis wuchs, denn sie sagte immer noch nichts, sondern sah ihn nur teilnahmslos an.
„Hawes hat mir berichtet, dass du dich nicht wohlfühlst. Soll ich Dr. Dalton rufen lassen?“
„Nein … nein, ich bin nicht krank. Ich bin nur …“ Ihre Stimme erstarb, und sie ließ den Blick wieder zum Feuer schweifen.
Etwas im Ton ihrer Stimme machte Charles Angst. „Catherine? Was ist mit dir? Sag es mir
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