Historical Exklusiv Band 36
dem Paar überlassen hatte. Man entkleidete sie, wusch sie und kämmte ihr Haar. Rosenblätter wurden auf Kissen und Laken gestreut, und unter Geschnatter und anzüglichen Witzen wurde sie zu Bett gebracht. All das konnte sie nicht mehr aus der Ruhe bringen. Ihre Erwartungen waren groß, und sie war gewillt, ihrem Gatten Liebe und Gehorsam entgegenzubringen. Alles andere war für sie ohne Bedeutung.
Es war vorauszusehen, dass ihre Tante die einzige säuerliche Bemerkung machte, die Genevras Ruhe wie mit einem Dolch durchbohrte.
„Du hast hoffentlich Gott auf den Knien für diese große Ehre gedankt“, erklärte Hannah so laut, dass sie die Aufmerksamkeit aller im Raum auf sich zog. „Ein Bastard hat nur selten so viel Glück. Vergiss niemals, dass Lord St. Aubin dich nur auf Geheiß des Earls geheiratet hat, mein Kind. Sei gehorsam und ergeben, und denke immer daran, dass du trotz deiner niederen Geburt dem guten Namen Heskith verpflichtet bist. Solltest du Schmach über deinen Herrn bringen oder ihm durch Widerspruch und Ungehorsam missfallen, werden deine Vettern und Basen darunter leiden. Northempston wird jede Beleidigung St. Aubins als eigene betrachten. Und wir fänden uns dann in seiner Ungnade.“
Sie erwähnte sich selbst mit keinem Wort, doch Genevra wusste, dass Hannah immer nur selbstsüchtig und egoistisch handelte. Auch betrachtete sie ihre Kinder als Teil von sich selbst und konnte wie eine Löwin für sie kämpfen. Genevra schauderte. Das Behagen, in das der Alkohol sie eingelullt hatte, war verflogen.
Sie fühlte sich erniedrigt und beschämt, dass der Makel ihrer Geburt in diesem Augenblick vor Fremden erwähnt wurde, denn alle in diesem Raum, außer Meg und ihrer Tante, waren nur flüchtige Bekannte. Plötzlich war sie nüchtern. Und sehr zornig.
„Ich danke Euch, verehrte Tante“, sagte sie mit schneidender Stimme und straffte die Schultern. Um jeden Preis wollte sie ihre Würde bewahren, auch wenn sie nur mit einem Nachthemd aus feinem Batist bekleidet war und ihre rosa Haut durch den dünnen Stoff schimmerte. „Seid versichert, dass ich nichts tun werde, um Lord Northempston vor den Kopf zu stoßen, einen Mann, der mich mit dieser Verbindung ausgezeichnet und mir Güte und Vertrauen erwiesen hat, wie ich sie seit dem Tod meines Großvaters nicht mehr kannte.“
Hannah wurde rot im Gesicht. „Keine … Güte!“, stammelte sie endlich. „Und wir haben jahrelang für deinen Unterhalt im Kloster der Heiligen Jungfrau Maria bezahlt!“
„Vergesst nicht, dass Ihr mich dorthin geschickt hattet, um die Schande meiner Gegenwart aus Bloxley zu entfernen, Mylady. Mein Aufenthalt im Kloster wurde aus den Einkünften von Merlinscrag, meinem Erbe, bezahlt. Die Mutter Oberin hat nur einen kleinen Teil davon beansprucht, und Euch blieb der Rest, solange ich unverheiratet und minderjährig war. Ich wäre Euch dankbar, wenn Ihr Euch die Lehren über gutes Benehmen sparen könntet, Lady Heskith!“
Bevor Hannah ihre Stimme wiederfand, um zu antworten, mischte sich die Schwester des Earl of Northempston ein, eine kinderlose Witwe, die dem Haushalt ihrer Bruders vorstand, seit er Witwer geworden war.
Die spindeldürre Frau, in deren rötlichem Gesicht zwei klare, gütig blickende blaue Augen leuchteten, nahm Genevra beim Arm und führte sie zum Bett. „Schweigt still, meine Liebe.“ Sie deckte Genevra zu und wandte sich dann um. Die Autorität ihres Alters und ihrer Stellung klang in ihren Worten mit. „Das ist nicht die rechte Zeit, um alten Familienzwist zur Sprache zu bringen, Lady Heskith. Eure Nichte ist nun verheiratet, und ihre Zukunft ist nicht mehr Eure Angelegenheit. Wenn mein verehrter Bruder, der Earl, und Lord St. Aubin sie dieser Verbindung für würdig befinden, dann wagen nur wenige einen Widerspruch. Außer, natürlich“, fügte sie mit zuckersüßem Lächeln hinzu, „es hätte jemand selber eine Tochter im heiratsfähigen Alter und wäre neidisch auf Lady St. Aubin und ihr Glück.“
Das hat tief getroffen, dachte Genevra und schenkte ihrer Wohltäterin ein dankbares Lächeln. Tante Hannahs älteste Tochter musste nun etwa fünfzehn Lenze zählen, und Genevra hatte noch nichts von einer Verlobung gehört.
Sie machte es sich auf dem mit Schwanenfedern gefüllten Unterbett bequem. Ein dickes Kissen stützte ihren Rücken, und aufrecht saß sie unter dem Laken und der bestickten Decke, die ihren Körper bis knapp unter die Brust bedeckten. Sie war aufgeregt, aber eine gewisse
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