Historical Exklusiv Band 36
seien!
„Nur Krankheit oder schlechtes Wetter machen diese Hilfe manchmal notwendig, Mylord“, sagte Martin verteidigend. „Selten mussten wir davon Gebrauch machen. Lady Margaret hatte genaue Anweisungen hinterlassen, welche Vorräte angelegt werden sollten.“
„Selbstverständlich. Und ohne Zweifel wusste Lord Heskith davon und war damit einverstanden. Trotzdem ist mir daran gelegen, die Rechnungsbücher zu prüfen.“
So würde er also milde Gaben nicht verbieten. Erleichtert und erfreut folgte Genevra Martin, der sie nun über den Burghof zur Küche führte.
Die meisten der Gebäude, die den inneren Burghof umgaben, waren aus Holz errichtet, die Wände mit Lehm und Stroh ausgefüllt und die Dächer mit Reet gedeckt. Nur die Küche, wo das Feuer eine große Gefahr barg, war aus Granit, und auch das Holzdach war mit Steinen verstärkt.
Aus drei Herdstellen schlug ihnen die Hitze entgegen, als sie eintraten, und die dumpfige Luft schien ihnen wie eine dicke Wand entgegenzukommen. Die Leute, die hier arbeiteten, waren fast nackt. Genevra konnte sie deswegen nicht tadeln. Ein Hund in einem Laufrad drehte einen Spieß, an dem ein Schwein stak. In den Kesseln und Töpfen, die an schweren Ketten über den Flammen hingen, brodelte und kochte es.
Alle unterbrachen ihre Arbeit und knieten nieder, als sie eintraten. St. Aubin wies sie mit einer Handbewegung an aufzustehen, und die Köche und Mägde begannen wieder zu rühren, zu mahlen, zu putzen, schneiden, schnetzeln, klopfen, oder was sie sonst gerade getan hatten. Genevra war es unangenehm warm geworden, und sie war froh, nicht lange hier verweilen zu müssen.
Sie besichtigten die anderen Gebäude des Burghofes, die Meierei, wo Milch zu Butter und Käse verarbeitet wurde, und das Brauhaus, wo der Geruch von gärendem, reifendem Bier und Honigwein fast unerträglich war. Genevras Aufmerksamkeit richtete sich dann auf einen kleinen Raum, der zur Herstellung von Arzneien und Salben diente und in dem getrocknete Kräuter hingen und Flaschen und Krüge mit allerlei Ingredienzen aufbewahrt wurden. Ein Kohlenbecken und ein Arbeitstisch zeigten, dass man hier die ätherischen Öle von Kräutern und Blumen destillierte. Sie wollte bald hierher zurückkommen.
In der Schmiede, wo der Hufschmied und der Waffenschmied arbeiteten, brannten muntere Feuer. Das Eisen musste erhitzt werden, um Waffen zu reparieren und Hufe zu schmieden. Ein Pferd stand da, dessen Hufe neu beschlagen werden mussten.
„Ihr habt noch nicht die Einrichtungen von Captain Nori im Turm angesehen“, erinnerte sie Martin, als sie aus der Werkstatt des Flickschusters traten. „Die Männer sind draußen bei der Waffenübung, die Zeit ist also günstig, wenn es Euch gefällt, Mylord. Zu ebener Erde arbeitet der Waffenmeister, dort sind auch die Waffen untergebracht. Darüber befinden sich die Kasernen.“
„Ich möchte ganz nach oben gehen“, sagte Genevra und blickte hinauf zu den Zinnen, die von hier unten wie spitze Zähne aussahen. Lachend wandte sie sich dann an Martin. „Erinnert Ihr Euch, wie Ihr mich als Kind hinauftrugt und mich oben auf der Brüstung festgehalten habt, damit ich rundherum blicken konnte?“
Martin lächelte. „O ja, Mylady. Eure Mutter hatte Euch gesagt, dass Euch eines Tages alles gehören würde, so weit das Auge reichte.“
Sie warfen sich einen Blick zu, wie ihn nur alte Vertraute wechseln können, aber St. Aubin trat ungehalten dazwischen. „Dieser Tag ist nun gekommen“, bemerkte er. „Lasst uns hinaufsteigen und Euer Erbe betrachten. Heute braucht Ihr keine starke Schulter mehr, um hinaufzukommen.“
„Noch“, fügte Genevra hinzu, die seinen plötzlichen Unmut nicht begriff, jedoch versuchte, die unangenehme Stimmung zu vertreiben, „muss ich mich auf die Zinnen stellen, um alles zu sehen!“
Sie ging die Treppe voran. Fackeln steckten in eisernen Ringen an den Wänden, um den Aufgang zu erhellen, der sich in der Mitte des Turmes befand. Die beiden Männer blickten in die Kammern, die sich in den einzelnen Stockwerken befanden, sie indes schritt zügig voran. Sie wollte vor den anderen oben ankommen, denn sie brauchte einen Augenblick der Ruhe, um ihre Fassung wiederzugewinnen.
Endlich begriff sie St. Aubins abweisendes Verhalten. Er war eifersüchtig auf die Vertrautheit, die sie mit dem Burgvogt Martin früher einmal verbunden hatte.
Sie erklomm die letzten Stufen und trat auf das Dach hinaus, wo zwei Wachposten Ausschau hielten. Die beiden
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