historical gold 036 - Der Flug des Falken.doc
Stirnreif, lachend einen Scherz erwidern, den der Mann in der purpurnen Robe, ihr Gemahl, ihr zugeraunt hatte.
Unversehens versank das Bild jedoch in rötlichem Licht, und dann war nur noch gleißende Helle.
Fest drückte Meriel die Lider zu, doch der grelle Glanz schwand nicht, und auch die Stimme rief wieder: „Meriel? Bist du dort unten?"
„Alan?" fragte sie verwundert, schlug überrascht Augen auf und schützt e sie mit der Hand gegen den blendenden Schein, der aus der geöffneten Falltür in das dunkle Gelass drang.
„Dem Himmel sei Dank!" sagte Alan de Vere erleichtert. „Warte, ich lasse dir den Tritt herunter."
Meriel meinte, noch immer zu träumen. Es war doch nicht möglich, dass der Bruder sie hier gefunden hatte! Hurtig erhob sie sich, lief zu der sich senkenden Leiter und kletterte behende die Sprossen hinauf.
Zwei kräftige Hände fassten sie unter den Achseln und hoben sie hoch. Im nächsten Moment hatte Alan sie in die Arme geschlossen und drückte sie zärtlich.
„Alan", sagte sie bewegt und lächelte unter Freudentränen. „Oh, Mein lieber Bruder! Wie schön, dass du da bist! Aber wie hast du mich hier aufgespürt?"
„Das ist eine lange Geschichte", erwiderte er und herzte die Schwester noch einmal, ehe er sie losließ. „Komm, Erklärungen müssen wir uns für später aufheben!"
Meriel drehte sich um und erschrak. Alan war entdeckt worden. Am Ausgang des Kerkers stand, halb verdeckt vom Licht einer Fackel, ein Mann. Eine n Herzschlag lang fürchtete sie, einen von Burgoignes Schergen zu sehen. Doch dann, als die dunkelgekleidete Gestalt die Pechleuchte senkte, erkannte sie ihn. Adrian of Warfield war gekommen, um sie in die Unfreiheit zurückzuführen.
Reglos schaute er seine Gattin an und sagte kaum hörbar: „Dir soll kein Leid geschehen, Meriel."
Seine Miene war ausdruckslos, verschlossen wie das Gesicht des unnahbaren Zwingherren, der sie nach Warfield Castle verschleppt und gefangengehalten hatte; die Stimme jedoch war die des zärtlichen, verständnisvollen Gemahles, der sie geliebt und dem sie sich hingegen hatte. Schwankend zwischen Furcht und Sehnsucht wagte sie nicht, sich zu rühren, und sah ihn verwirrt an.
„Meriel", brach Alan de Vere die lastende Stille, „wir müssen vor dem Morgengrauen verschwunden sein. Es wird ein schwieriger Abstieg, denn Adrian und ich mussten erst die Klippe hinter dem Keep und dann die Kurtine hochklettern, um in Wenlock Castle einzudringen. Und nun steht uns derselbe Weg bevor!"
Adrian of Warfield drehte sich um und hastete, gefolgt von seiner Gattin und ihrem Bruder, die enge Treppe hinauf.
Vor der Tür, hinter der Meriel die Juden wusste, zögerte sie und flüsterte: „Hier sind ..."
„Wir haben nicht die Zeit, um jemanden zu befreien", unterbrach Alan und drängte Meriel weiter. „Es ist zu ge fährlich, unser aller Leben aufs Spiel zu setzen."
Meriel bedauerte, dass sie Benjamin l'Eveske und seinen Leuten nicht helfen konnte, aber der Bruder hatte recht. Dreizehn, zum Teil alte und gebrechliche Menschen über eine Mauer und eine Steilwand zu retten, war ausgeschlossen.
Kurz vor dem Erreichen des Turmgewölbes trat Adrian de Lancey die Fackel aus, wandte sich um und sagte leise: „Halte dich an mir fest!"
Zögernd kam Meriel der Aufforderung nach. In der Dunkelheit gab seine Hand ihr das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit, und voller Zuversicht folgte sie ihm. Erst die Zukunft würde zeigen, ob ihr Vertrauen gerechtfertigt war.
Die Halle des Keep war in fahles Dämmerlicht getaucht, zum Glück jedoch leer. Adrian lief auf die Tür zu, machte sie einen Spalt auf und lugte hinaus. „Niemand in Sicht!" flüsterte er und zog Meriel ins Freie.
Behutsam Schloss Alan die Pforte und rannte dem Schwager und Meriel nach.
Kaum hatte ihr Gatte das Schlafgemach verlassen, erhob sich Cecily, weckte die Kammermägde und ließ sich eilends ankleiden.
Es erschien ihr unvorstellbar, dass Warfield in der Absicht, seine Gemahlin zu befreien, in Wenlock Castle eingedrungen sein sollte. Er galt jedoch als furchtloser, tollkühner Mann, und die Überzeugung, die aus Guys Worten gesprochen hatte, bewog Cecily, der Meldung des Kastellanes zu glauben. Der Gedanke, dass ein Mann seine Frau so sehr liebte, um persönlich ein derart gefährliches Unternehmen zu wagen, versetzte ihr indes einen Stich im Herzen.
Aber es hatte keinen Sinn, über solche Dinge nachzugrübeln. Wenn Warfield so waghalsig war, das Leben für seine Gattin aufs
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