historical gold 036 - Der Flug des Falken.doc
ein Weib zu nehmen", antwortete der Hauptmann leichthin.
„Wundert dich das? Mein Bruder ist seit geraumer Weile auf Brautschau. Die Frage war nur, wen er sich erküren würde."
„Ich habe ihn zufällig mit seiner ihm An verlobten in Shrewsbury gesehen und begreife nicht, was ihn an ihr so beeindruckt", entgegnete der Abgesandte Guy de Burgoignes und hoffte, durch die abwertende Bemerkung mehr über den Hintergrund dieser Verbindung zu erfahren.
Der Kastellan vo n Montford hüllte sich indes in Schweigen, und seine Miene blieb reglos.
Leicht enttäuscht, fuhr Vincent de Gembloux fort: „Erbittert es dich nicht, dass Warfield freit? Du hast ihm viele Jahre treue Dienste geleistet und hättest, falls er ohne rechtmäßigen Erben gestorben wäre, berechtigen Anspruch auf seine Besitztümer. Jetzt kann sich das sehr schnell ändern."
„Das Recht des Erstgeborenen allein genügt nicht, um ein Alterbe zu halten", widersprach Richard de Lancey belustigt. „Viele Sommer werden noch ins Land ziehen, ehe ein Sohn meines Bruders in der Lage ist, über seine Ländereien zu herrschen, oder der Gatte einer Tochter in ihrem Namen. Und wer weiß, was in dieser Zeit alles geschieht?"
Verblüfft musste der Marschall erkennen, dass er sein Gegenüber offenbar unterschätzt hatte. Vorsichtiger geworden, äußerte er achselzuckend: „Du könntest dir schon früher eine bessere Stellung verschaffen."
„Und wie?" fragte Richard de Lancey und sah den Hauptmann mit abschätzendem Blick an.
Vincent de Gemblo ux störte es, so unverblümt herausge fordert zu werden. Er zauderte, aber es hatte wohl wenig Sinn, die Sache zu beschönigen. „Mein Herr würde sich jemandem sehr erkenntlich zeigen, der willens ist, sein Bündnis mit Warfield zu überdenken", sagte er unumwunden.
Jäh senkte sich Stille über den Raum, und erst nach längerer Pause erwiderte der Kastellan:
„Du hast meine Neugier geweckt. Versprechungen reichen indes nicht, mich zu einem so schwerwiegenden Schritt zu bewegen. Was hätte Burgoigne mir zu bieten, und was erwartet er von mir?"
„Er setzt voraus, dass du ihn als Earl of Shropshire anerkennst."
„Dann wäre ich in derselben Situation wie jetzt", stellte Richard de Lancey trocken fest.
„Nicht unbedingt", wandte Vincent de Gembloux ein. „Er würde dich mit Montford und ertragreichen Ländereien belehen, so dass du dein eigener Herr und nicht nur der Burgvogt deines Bruders wärest. Zum anderen würdest du dann auf Seiten König Stephens stehen. Er ist unser Herrscher, und Eustace wird ihm folgen! Zugegeben", fügte der Marschall mit abwertender Geste hinzu, „Geoffroir d'Anjou hat die Normandie erobert, aber Maud ist England verlorengegangen. Henry, ihr Balg, wird sich damit begnügen müssen, nur Comte zu sein. So frage ich dich, wessen Gunst wohl höher zu bewerten ist."
Richard trank einen langen Schluck Klaret, wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab und enthielt sich auch diesmal einer Bemerkung.
„Selbstverständlich würde Burgoigne seinen Einfluss bei Stephen geltend machen, um dir zu einer standesgemäßen Gemahlin mit großer Mitgift zu verhelfen", sagte der Hauptmann eindringlich. „Warfield hat das bis jetzt ja noch nicht getan. Wenn er also nicht gewillt ist, dir deine Treue zu belohnen, dann ist er sie auch in Zukunft nicht wert."
„Wie kommst du darauf, dass ich heiraten möchte?" fragte der Kastellan, lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Weil nur ein beweibter Mann die Macht in Händen hält", antwortete Vincent de Gembloux und beugte sich eifrig vor. „Eine Frau bringt Land, Geld und Ansehen! Als Gefolgsmann von Burgoigne kannst du dir eigene Machtfülle erwerben und musst nicht bis zum Ende deiner Tage ausharren, ob Warfield dir gewogen bleibt."
„Schöne Worte", erwiderte Richard de Lancey und bemühte sich, nicht zu zeigen, was er dachte. „Tatsache ist doch, dass mein Bruder der mächtigere der beiden Earls of Shropshire ist, sein Einflußbereich größer und seine Einkünfte einträglicher sind. Zudem sitzt er in einer uneinnehmbaren Veste. Noch bin ich nicht überzeugt, warum ich zu Burgoigne überwechseln sollte."
Nun sah Vincent de Gembloux seine Überredungskünste gefordert, überlegte ein Weilchen und sagte dann in verschwörerischem Ton: „Wir beide befinden uns in vergleichbarer Lage: ohne eigenen Besitz, abhängig vom Wohlwollen der Zwingherren, sind auf unseren Verstand angewiesen. Da ich Verständnis für dich habe,
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