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historical gold 036 - Der Flug des Falken.doc

historical gold 036 - Der Flug des Falken.doc

Titel: historical gold 036 - Der Flug des Falken.doc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: kram
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werde ich dir ein Geheimnis anvertrauen.
    Noch ehe der Sommer vorüber ist, wird das Gleichgewicht der Kräfte sich grundlegend verändert ha ben. Burgoigne hat ein gewaltiges Söldnerheer geworben. Sobald es hier ist, werden wir Warfield in die Knie zwingen. Die Burg mag unerstürmbar sein, aber alles andere wird Burgoigne in die Hände fallen. Wenn du dich jetzt auf seine Seite schlägst, wird er es dir zu danken wissen. Solltest du jedoch abwarten wollen, woher der Wind weht, ist es zu spät, denn dann hast du nichts mehr in die Waagschale zu werfen. Montford Castle ist gut bewehrt", fügte der Marschall mit ausholender Gebärde hinzu, „doch längst nicht so wie Warfield Castle. Burgoignes Mannen wird es sich schnell ergeben müssen."
    Richard de Lancey rieb sich die Stirn, trank einen Schluck Wein und drehte nachdenklich den Silberbecher in den Händen. „Du bist sehr beredt, Vincent de Gembloux! Welche Gewissheit hätte ich indes, dass Burgoigne mich nicht hintergeht? Vergib mir, dass ich es überhaupt erwähne, aber gelegentlich bestehen arge Zweifel an seiner Ehrlichkeit."
    Wider besseres Wissen entgegnete der Hauptmann entrüstet: „Auf Burgoignes Wort kann man sich verlassen! Zum Beweis seines guten Willens schickt er dir außerdem dieses kleine Angebinde."
    Vincent de Gembloux öffnete die Lasche eines ledernen Beutels, entnahm ihm ein goldenes Trinkgefäß und reichte es dem Vogt von Montford Castle. Der Pokal ruhte auf ziseliertem, mit kostbaren Juwelen besetztem Fuß, und auch der Griff war mit edlen Steinen durchlegt. Die von einem getriebenen Kienapfel gekrönte, nicht minder reich verzierte Deckelhaube lag auf einer goldgefassten Schale, auf der unter schimmerndem blauen Emailüberzug in Silber geätzte Bilder der Falkenjagd erglänzten. Es war das schönste Stück aus Cecily de Chastains Vermögen, eines Königs wert, und Burgoigne hatte es zur besonderen Verwendung aufgehoben.
    Der Marschall sah, dass der Zweck erreicht war, denn die Hände des Kastellans zitterten leicht, als er aufstand, mit dem Pokal zum Fenster trat und ihn im Licht der Nachmittagssonne bewundernd von allen Seiten betrachtete. Habgier war doch stets der beste Antrieb, um den Bastardbruder Warfields zum Verräter zu machen.
    „Ein wahres Kleinod!" sagte Richard de Lancey anerkennend. „Mehr wert denn zwei Kisten Silberdenare oder eine Truhe voller Goldnobel!" Langsam wandte er sich wieder dem Besucher zu und fragte beiläufig: „Wie lange bist du eigentlich schon bei Burgoigne im Sold?
    Fünf, sechs Sommer?"
    Der Hauptmann begriff nicht, worauf der Vogt hinaus wollte, und nickte verdutzt.
    „Dann müsstest du wissen, was die Fehde zwischen meinem Bruder und Burgoigne ausgelöst hast. Sie sind nicht nur Widersacher um die Grafschaft."
    „Nun, ich habe vernommen, dass die Feindschaft viele Jahre zurückreicht", gestand Vincent de Gembloux stirnrunzelnd. „Angeblich soll Warfields alter Keep von Burgoigne niedergebrannt worden sein, als dein Bruder noch Novize in Fontevaile Abbey war." Er grinste und meinte spöttisch: „Vielleicht hätte er dort bleiben sollen. In meinen Augen ist er kein Kämpe, und mit Weibern scheint er auch nicht viel im Sinn zu haben, anders als die meisten Klosterbrüder. Du hättest sein Erbe übernehmen sollen!"
    „Vielleicht hat niemand dir erzählt", sagte Richard de Lancey sehr ruhig, während er den wertvollen Pokal behut sam neben dem Hauptmann auf einer Truhe abstellte, „dass Burgoigne damals sämtliche Leute hinmetzeln ließ, den Sieur de Warfield ebenso wie alle seine Angehörigen. Nur Adrian kam mit dem Leben davon, und ich!" Im Nu hatte Richard das Schwert aus der Scheide gerissen und hielt es schlagbereit vor sich hin.
    Erschrocken fürchtete Vincent de Gembloux, der Vogt könne ihn kaltblütig erstechen.
    Schon halb im Begriff, seine Waffe zu ziehen und sich der Haut zu erwehren, musste er entsetzt mitansehen, wie der Kastellan ausholte und mit wuchtigem Hieb die Schale des Pokales vom Knauf trennte. Wieder und wieder drosch er auf die zu Boden gefallenen Teile ein, bis sie nur noch verbeulte Reste waren.
    Gelassen steckte Richard de Lancey dann das Schwert in die lederne Schlauche, hob die verbogenen Trümmer auf schleuderte sie jäh dem verstört ausweichenden Hauptmann entgegen. „Hat Burgoigne vergessen", schrie er zornig, „dass die Menschen, die er ermorden ließ, auch meine Verwandten waren? Mein Vater, meine Brüder, meine Freunde sind in jener Nacht gemeuchelt worden!

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