Historical Gold Band 251
Beinahe so lächerlich wie diese Verletzlichkeit, die über ihn gekommen war, als wäre er ein Nachtfalter, der von der Sonne ihrer Zuwendung geblendet war. Jemand anders hätte ihn vielleicht dazu veranlasst davonzufliegen. So aber … es war ja Margaret.
Stattdessen nickte er ihr einfach nur zu. Sie nahm die Seiten entgegen und ordnete sie.
„Handbuch der Keuschheit für Gentlemen“, begann sie zu lesen. „Von Mark Turner.“ Sie legte den Kopf schräg und sah Ash an. „Ein Hand buch der Keuschheit? Was genau soll das heißen?“
Ash zuckte mit den Schultern. Das also bedeuteten die Worte auf der ersten Seite. „Wir werden es wohl gleich herausfinden.“ Er legte die Hände auf die Seitenlehnen des Sessels und machte sich gefasst auf das, was da kommen mochte. Auch wenn es eine trockene, philosophische Abhandlung von intellektueller Bedeutung sein würde, so war es doch die trockene philosophische Abhandlung seines Bruders . Er würde jetzt keine Verbindung zwischen ihren vollen Lippen und der Keuschheit ziehen. Er würde keine anzügliche, kindische Bemerkung fallen lassen.
„‚Erste Kapitel‘“, las Margaret. „‚Titel: Keuschheit ist hart.‘“
Ash kicherte, trotz aller guten Vorsätze. „Ja“, murmelte er, obwohl er sich jede kindische Anzüglichkeit hatte verkneifen wollen. „Nach einer ausgedehnten Periode der Keuschheit fühle ich mich auch immer hart .“
Sie warf ihm einen Blick zu; um ihre Lippen spielte ein amüsiertes Lächeln. Dann schüttelte sie den Kopf und las weiter. „‚Moralisten betonen zu oft, wie wichtig aufrechtes Benehmen sei. Diese Ermahnung hat jedoch meist einen gegenteiligen Effekt: Wenn man den strengen Standards nicht genügen kann, gibt man sie oft genug in ihrer Gesamtheit auf.‘“
Laut ausgesprochen war es nicht weiter schwierig, Marks Argumentation zu folgen. Ash stimmte ihr sogar zu. Er nickte, und Margaret fuhr fort.
„‚Zum Beispiel haben wir alle schon gehört, dass ein Mann, der sich nach einer Frau verzehrt, schon im Herzen Ehebruch begangen hat. Diese Mahnung wurzelt in den besten Absichten, schließlich solle man stets und immerdar nach erhabenen Gedanken trachten. Leider verkehrt das unedle männliche Denken, das gern eigene Wege geht, dieses Prinzip oft ins Gegenteil. Nun, so mag ein Mann sinnieren, wenn ich schon für gedanklichen Ehebruch verdammt werde, dann kann ich diesen Ehebruch genauso gut auch im Fleische genießen.‘“
Überrascht lachte Ash auf – weil die Betrachtungen seines Bruders nur allzu richtig waren und weil er Mark genau vor sich sah, wie er seine Thesen von sich gab, das Gesicht strahlend vor Heiterkeit. Margaret lächelte ebenfalls. Auf ihren Wangen zeigten sich Grübchen.
Ihm gefielen ihre Grübchen.
„‚Die Wahrheit ist‘“, las sie weiter, „‚dass es einem wirklich hart ankommen kann, keusch zu leben. Vor allem jungen, unverheirateten Gentlemen mag es schwerfallen: Einerseits werden sie von allen Seiten mit Ermahnungen überschüttet, nicht einmal an den Fußknöchel einer Frau zu denken , andererseits regnet es Einladungen, doch von den vielen Möglichkeiten Gebrauch zu machen, die jedem halbwegs wohlsituierten jungen Mann offenstehen. Die meisten jungen Herren überlegen nicht lange, wenn es gilt, zwischen dem Unmöglichen und dem Angenehmen zu wählen. Deswegen habe ich das erste Hand buch der Keuschheit geschrieben.‘“
„Weißt du“, bemerkte Ash, „entweder wird mein Bruder für dieses Werk mit Lob überhäuft, oder man bezichtigt ihn der Blasphemie und setzt dieses Buch zu Thomas Paine und Fanny Hill auf den Index verbotener Schriften.“
„Beides ist möglich.“ Margaret sah auf die Seiten in ihrer Hand. „Für ein Buch über Keuschheit hat er sich bereits weit vorgewagt: Er hat Ehebruch und weibliche Fußknöchel erwähnt. Für dieses Thema scheint das ganz schön gewagt.“
„Nur weil du es vorliest. Das Wort Fußknöchel ist tausendmal aufreizender, wenn es von einer schönen Frau ausgesprochen wird.“
Schwache Röte stieg ihr in die Wangen. Dennoch warf sie ihm einen nüchternen Blick zu. „Hör auf mit diesen Komplimenten, sonst sündige ich noch in Gedanken, statt weiter vorzulesen.“
„Fängst du gerade erst damit an? In Gedanken sündige ich schon seit geraumer Zeit.“ Das Grübchen in ihrer Wange vertiefte sich, doch sie presste ihre vollen Lippen in gespielter Strenge zusammen und nahm die Seiten wieder auf.
„Also, wo waren wir stehen geblieben. Ah, ja. ‚…
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