Historical Gold Band 261 (German Edition)
Elizabeth die Stimme einer Frau draußen auf der Veranda hörte, erhob sie sich vom Sofa und begab sich nach draußen. Reeses Tante Agatha, gebeugt und mit silbernem Haar, betrat das Haus.
Elizabeths Herz schlug schneller. Sie hatte gewusst, dass dieser Tag kommen würde. Inzwischen wusste die alte Dame, dass Reese die Wahrheit über seinen Sohn kannte. Seine beiden Brüder wussten es ebenfalls, und sie hatten keine Geheimnisse vor der Matriarchin der Familie.
Was würde die Dowager Countess sagen, wenn sie erfuhr, dass Elizabeth nicht in der Lage gewesen war, die Vergebung ihres Neffen zu erlangen? Dass es keine glückliche Familie geben würde und auch nicht mehr Kinder, wie es sich die Dowager Countess zu wünschen schien? Wenn sie herausfand, dass Reese sie verlassen hatte – dass sie es nicht geschafft hatte, seine Liebe zu erringen?
Sie kämpfte mit den Tränen, holte tief Luft und zwang sich zu einem Lächeln. „Lady Tavistock – bitte kommen Sie herein.“
Die gebrechliche alte Dame stützte sich schwer auf ihren Stock, musterte Elizabeth von Kopf bis Fuß und runzelte die Stirn. „Sie sehen elend aus, mein Mädchen. Sind Sie krank?“
Krank am Herzen, hätte Elizabeth am liebsten gesagt. Obwohl Reese am Tag zuvor gute Nachrichten bezüglich Captain Greer gebracht hatte und nun glaubte, sein Freund würde bald nicht mehr unter Verdacht stehen, hatte er nur kurz mit ihr gesprochen und sie dann wieder allein gelassen.
Er hatte mehrere Stunden mit Jared verbracht und ihn und Mr Gillespie auf einen Spaziergang zu den Stallungen im Park begleitet. Nachts war er wie immer in letzter Zeit nicht zu ihr ins Bett gekommen. Er blieb auf Distanz, offenbar fest entschlossen, ihr nicht mehr zu nahe zu kommen.
Elizabeth geleitete die Dowager Countess in den Salon, was ein wenig länger dauerte, denn die alte Dame ging sehr langsam.
„Warum trinken wir nicht einen Tee?“, schlug Elizabeth vor, als Lady Tavistock auf dem burgunderroten Sofa Platz nahm. Sie wollte schon läuten, doch die Dowager Countess schüttelte den Kopf.
„Davon hatte ich bereits genug. Ich will wissen, wie es zwischen Ihnen und meinem Neffen steht.“
Elizabeth verkniff sich die Bemerkung, die ihr auf der Zunge lag, nämlich dass das die alte Dame nichts anging, aber natürlich tat es das doch. Tante Agatha liebte alle drei Neffen wie die Söhne, die sie niemals gehabt hatte. Es war ihr Recht, sich Sorgen um Reese zu machen.
Elizabeth wappnete sich gegen das Kommende und nahm am anderen Ende des Sofas Platz. „Er ist darüber informiert, dass Jared sein Sohn ist. Ich nehme an, das wissen Sie bereits.“
„Natürlich weiß ich das. In unserer Familie gibt es keine Geheimnisse.“ Anders als bei Ihnen , waren die Worte, die unausgesprochen zwischen ihnen standen.
„Ich hätte es ihm selbst sagen sollen. Ich hätte nicht warten dürfen.“
„Sie hätten es ihm schon vor acht Jahren sagen sollen. Aber das ist Vergangenheit. Wichtig ist, dass ihr beide jetzt verheiratet seid und ein Kind habt, um das ihr euch kümmern müsst. Was gewesen ist, lässt sich nicht mehr ändern, und es ist Zeit, nach vorn zu blicken.“
Elizabeth wandte sich ab und blinzelte ein paar Tränen weg. „Er wird mir nicht verzeihen. Das habe ich Ihnen schon gesagt, ehe wir heirateten.“
„Unsinn! Der Mann liebt Sie. Das hat er schon immer getan, und das wird auch so bleiben.“
Er hat mich vielleicht früher mal geliebt , dachte Elizabeth. Doch jetzt nicht mehr. Sie setzte sich aufrecht hin. „Reese … nun, er kommt nicht mehr in mein Bett.“
Die ältere Frau dachte darüber nach, dann lächelte sie. „Mein Neffe liebt Sie sogar noch mehr, als ich dachte.“
„Wovon reden Sie?“
„Reese liebt Sie geradezu verzweifelt, und das ängstigt ihn zu Tode. Mein Neffe ist ein Mann mit einer ausgeprägten Libido – das sind alle Bransfords –, und ganz gewiss gehört er nicht zu der Sorte Mann, die ihre körperlichen Bedürfnisse ignoriert.“
Elizabeth sagte nichts dazu. Sie hatte nicht die geringste Ahnung, wie Reese für sie empfand. Oder ob er möglicherweise seine Bedürfnisse bei einer anderen Frau befriedigte. Sie wusste nur, dass er sie verlassen hatte, so wie sie einst ihn.
„Was ist mit Ihnen, Elizabeth? Was empfinden Sie für Reese?“
Die Tränen, die sie so lange unterdrückt hatte, stiegen Elizabeth jetzt in die Augen. Es hatte keinen Sinn zu lügen und ganz gewiss nicht gegenüber einer Frau, die so klug war wie die Dowager
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