HISTORICAL JUBILÄUM Band 03
freimütige Äußerung war hoch. Zur Rache stahl der Unhold mir den Ring, den mir mein geliebter Silas geschenkt hatte. Und meiner Mutter nahm er ein Vermögen an Juwelen und Goldstücken ab.“ Edwina hielt inne, gerade lange genug, um schmerzvoll aufzuseufzen.
„Bist du sicher, dass du nicht einige Dinge vergessen hast zu erwähnen?“
Beim Klang von Bethanys Stimme blickte Edwina erschrocken auf. Der leise, drohende Unterton in Bethanys Worten verfehlte seine Wirkung nicht. Hastig sprach sie weiter: „Nein, ich habe nichts vergessen. Gerade wollte ich zu dem wichtigsten Teil meines Berichts kommen.“ Und an die begierig lauschenden Gäste gewandt, sagte sie: „Der Lord der Nacht raubte Bethany einen Kuss. Kann sich jemand vorstellen, wie ihre Lippen von denen des abstoßenden Ungeheuers berührt wurden?“
Es herrschte völliges Schweigen. Die Leute sahen Bethany mit einer Mischung aus Schock, Entsetzen und Ekel an. Einige Männer betrachteten sie mit Blicken, unter denen es Bethany unangenehm heiß wurde. Sie fühlte sich erniedrigt und beschmutzt und wollte sich zum Gehen wenden, doch Edwina hielt sie zurück.
„Warte noch einen Moment. Du hast unseren Ehrengast noch nicht kennengelernt.“ Edwina umklammerte besitzergreifend den Arm eines neben ihr stehenden jungen Herrn, der makellos gekleidet war und mit seinen Kniehosen aus glänzendem Satin und dem gerüschten Hemd der augenblicklichen Londoner Mode folgte.
„Oswald Preston, ich möchte Ihnen Kapitän Geoffrey Lambert und seine Enkelin Bethany vorstellen.“ Ihre Stimme klang noch unnatürlicher als sonst. Sie fühlte sich über alle Maßen wichtig.
„Sir.“ Er reichte Geoffrey die Hand.
„Eure Lordschaft.“
„Nein“,wehrte Preston ab. „Dieser Titel gebührt meinem Vetter Kane Preston. Ich bin nur ein armer Verwandter von ihm.“
„Arm?“ Edwina lachte glockenhell auf. „Ich habe mir sagen lassen, dass Ihnen eines der schönsten Anwesen in London gehört.“
Zur Antwort blickte Oswald ihr tief in die Augen und drückte in einer vertraulichen Geste ihre Hand. Dann sah er Bethany an.
„Miss Lambert, ich fühle mich geehrt, Ihre Bekanntschaft zu machen. Leben Sie auch hier in Land’s End?“
Bethany gefiel die Art und Weise, in der er sie musterte, überhaupt nicht. Bevor sie zu einer Entgegnung ansetzen konnte, rief Edwina: „Nein, nein. Die Lamberts wohnen nicht im Dorf, sondern in einem wunderlichen, putzigen Haus, das sie Mary-Castle nennen.“
„Wenn Sie mich entschuldigen wollen“, stieß Bethany hervor, die die Situation unerträglich fand. „Ich brauche dringend etwas frische Luft.“ Und ohne eine Antwort abzuwarten, drehte sie sich um und trat durch eine der großen Salontüren ins Freie.
Tief atmete Bethany den Rosenduft ein und spürte, wie sie sich allmählich entspannte. Es war ihr vollkommen gleichgültig, was Edwina und ihre Gäste von ihrem plötzlichen Abgang hielten. Sie würde noch ein Weilchen hier draußen bleiben und dann ihren Großvater überreden, nach Hause zu fahren.
Sie war so tief in Gedanken versunken, dass sie die dunkle Gestalt nicht sah. Sie schrak zusammen, als jemand ihr plötzlich eine Hand auf die Schulter legte.
„Vergeben Sie mir, Bethany, wenn ich Sie erschreckt habe.“ Vor ihr stand der Lord of the Night , wie zuvor ganz in Schwarz gekleidet. Ein ebenfalls schwarzer Schal verbarg seine Gesichtszüge. Den Hut hatte er tief in die Stirn gezogen. Wie bei ihrer ersten Begegnung, so sprach er auch jetzt in diesem Flüsterton, bei dem ihr Herz ungestüm zu klopfen anfing.
„Warum sind Sie hier?“ Doch Bethany konnte die Antwort sogleich selbst geben. „Sie wollen Edwina und ihre Gäste ausrauben, stimmt’s?“
„Sie machen es mir ja auch besonders leicht, wenn sie ihren Reichtum so öffentlich zur Schau tragen. Aber verraten Sie mir doch, warum Sie hier draußen im Garten sind. Gefällt Ihnen Miss Cannons Teeparty nicht?“
„Nein, nicht besonders.“
„Aha. Und warum nicht, wenn ich fragen darf?“
„Das ist nicht Ihre Angelegenheit.“ Sie wandte sich zum Gehen, doch er hielt sie am Oberarm fest. Durch den Stoff des Kleides hindurch spürte Bethany die Kraft, die von ihm ausging. Und sie vernahm auch einen leidenschaftlichen Unterton in seiner Stimme, als er raunte: „Ich habe beschlossen, es zu meiner Angelegenheit zu machen.“
Sie wusste, dass sie eigentlich hätte um Hilfe schreien oder sich wenigstens wehren sollen. Doch sie blieb ganz still stehen. „Ich …
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