HISTORICAL JUBILÄUM Band 03
Räuspern wieder sprechen konnte, brachte sie allerdings nur ein Flüstern zustande. „Warum wurde aus einem Earl ein Wegelagerer?“
Kane runzelte nachdenklich die Stirn. „Anfänglich lag das gar nicht in meiner Absicht“, erklärte er. „Als ich noch um einiges jünger war, kleidete ich mich ganz in Schwarz, wenn ich bei Dunkelheit unerkannt über Land reiten wollte. In meiner Jugend war ich ständig von Erziehern, Lehrern und Bediensteten umgeben, sodass ich für mich einen Weg finden musste, wenigstens gelegentlich ein wenig Zeit für mich ganz allein zu haben. Aber dann geschah etwas, das mein Leben in den Grundfesten erschütterte und veränderte.“
Er verstummte, weil er fürchtete, die Stimme würde ihm vor innerer Bewegung versagen. Doch dann hatte er sich wieder unter Kontrolle. „Als ich schließlich nach Cornwall zurückkehrte, war ich erschüttert über das Ungleichgewicht zwischen Arm und Reich. Am schlimmsten fand ich, dass es offenbar unmöglich war, den Reichen den Blick für die Ärmsten zu öffnen. Und so beschloss ich, ihnen ihre wichtigsten Kostbarkeiten abzunehmen, damit sie zumindest erkannten, dass ihnen ihr Leben und ihre Sicherheit um vieles wichtiger waren als schnöder Besitz.“
„Aber dann verstehe ich nicht“, warf Bethany ein, „warum du allen ihr Hab und Gut über Jenna Pike zurückgegeben hast.“
„Das hatte zu tun mit einer Bemerkung von dir“, entgegnete Kane. „Ich hatte darüber nachgegrübelt, wie ich meine Beute den rechtmäßigen Eigentümern zukommen lassen könnte. Und dann sagtest du, Menschen könnten niemals wissen, in welchem Paradies sie lebten, wenn sie keine Gelegenheit hätten, zu sehen, wie es anderen Leuten ging.“
„Aber wir sprachen damals doch nur über das Wetter.“
„Ja, trotzdem kam ich plötzlich zu einer wichtigen Erkenntnis. Wenn die Reichen mit ihren hochtrabenden Titeln Gelegenheit hätten, einen Eindruck von Miss Pikes Leben zu bekommen, würden sie vielleicht aus ihrer Bequemlichkeit aufschrecken und beginnen, Menschen in Not überhaupt wahrzunehmen. Und das, so hoffte ich, würde dazu führen, dass sie Menschen wie Miss Pike das Leben leichter machen würden.“
„Wie du es tust.“
Kane machte eine abwehrende Handbewegung. „Ich tue nicht annähernd genug. Es gibt so viele …Verwicklungen in meinem Leben.“
Bethany wartete hoffnungsvoll, ob er ihr wohl Einzelheiten dieser Verwicklungen verraten würde. Doch bevor er dazu Gelegenheit hatte, ertönte ein lautes Klopfen an der Tür.
„Mylord?“ Das war Huntleys Stimme.
Kane sah, wie Bethany tief errötete, und musste lachen. „Wenn ich mich recht erinnere, junge Dame, warst du es, die darauf bestand, dass wir uns das Bett teilen sollten.“
„Ja, das stimmt. Aber damit habe ich gewiss nicht gemeint, dass dein Butler Mitwisser dieser … äh … Vereinbarung sein würde. O Kane, ich glaube nicht, dass ich Huntley jetzt ertragen könnte.“
Kane sah, in welcher Verlegenheit sie sich befand, und hatte sofort tiefes Mitgefühl mit ihr. „Ich brauche deine Dienste heute Morgen nicht, Huntley, danke vielmals. Sag Mistress Dove, dass sich Miss Lamberts Zustand deutlich verbessert hat. Ich werde mit den anderen gemeinsam frühstücken.“
„Sehr wohl, Mylord.“ Huntley zog sich zurück, und kurz darauf waren seine Schritte draußen auf dem Flur verklungen.
Kane warf einen Blick auf Bethanys Gesicht und lachte fröhlich. „Ein kleiner Rat, Geliebte“, sagte er. „Pass nur gut auf, dass du niemals in die Verlegenheit gerätst, mit meinen Londoner Freunden Karten zu spielen. Jeder kann am Ausdruck deiner wunderschönen grünen Augen sofort erkennen, welche Gedanken und Gefühle du hegst.“ Er hob ihr Kinn leicht an und küsste sie auf den Mund.
„Wenn das stimmt, dann verrate mir doch mal, was ich jetzt in diesem Moment empfinde.“
Tief blickte er ihr in die Augen. „Grenzenlose Erleichterung, dass Huntley fort ist. Und dann …“ Er zog sie enger an sich. „Ich sehe so etwas wie Leidenschaft in deinem Blick.“ Er küsste sie ausgiebig. „Ja, Leidenschaft und eine Begierde, die ich glaube befriedigen zu müssen, bevor wir beide dieses Bett verlassen.“
Bethany begann zu lachen, doch Kane verschloss ihr den Mund mit einem langen, sehnsüchtigen Kuss. Hastig streifte er seinen Morgenmantel ab, und dann gab es für ihn und Bethany abermals nur noch gemurmelte Worte der Leidenschaft und des Begehrens, als sie einander erneut ihre Liebe schenkten.
„Gottlob,
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