HISTORICAL JUBILÄUM Band 03
Newton leise, ohne sich vom Steuerrad wegzudrehen. Unverwandt beobachtete er das Meer vor sich.
„Woher wusstest du, dass ich es bin, Newt?“
„Du hast eine besondere Art zu gehen. Wie eine kleine Katze auf samtweichen Pfoten. Was ist denn los? Du solltest versuchen, dich für den morgigen Tag auszuruhen. Er wird bestimmt anstrengend.“
„Aber ich kann einfach nicht schlafen.“ Ambrosia ging hin und her, ließ die Hand über die Reling gleiten, strich über die Seile, die die Takelage hielten, und seufzte ungeduldig. „Was denkst du über Riordan Spencer?“, platzte sie schließlich heraus.
Newton verstand. Erste Liebe! Nun, wenigstens hatte sie eine gute Wahl getroffen. Er dachte kurz nach, bevor er Ambrosias Frage beantwortete.
„Er ist manchmal ungeduldig. Hat keine Zeit für Narren und Dummköpfe. Redet nur, wenn er wirklich etwas zu sagen hat. Aber er ist ausgeglichen und ein Mann der Ehre. Und wenn ich gegen ein Piratenschiff kämpfen müsste, würde ich ihn an meiner Seite haben wollen.“
Einen Augenblick lang war es still. Dann drehte sich Newton halb zu Ambrosia um und fügte hinzu: „Riordan Spencer ist ein Mann, der immer einen geraden und sicheren Kurs durch felsige Gegenden und Untiefen steuert, mein Mädchen.“
Sie wusste, dass der Alte in diesem Moment nicht vom Segeln sprach, sondern vom Leben. Er hatte Riordan damit größte Anerkennung gezollt. Ambrosia war tief berührt von der Aufrichtigkeit ihres Vertrauten, nickte nachdenklich und ging ohne ein weiteres Wort davon.
Der alte Newton sah ihr nach. Ambrosia stützte sich auf die Reling und sah unverwandt zu dem sternenübersäten Himmel hinauf, während er in Gedanken die Zeit um viele Jahre zurückdrehte. Damals war auch er jung gewesen und zum ersten Mal bis über beide Ohren verliebt. Ach, es war schon so unendlich lange her!
Doch es hatte da ein Mädchen in seinem Leben gegeben, in dessen Haaren sich die Sonnenstrahlen verfingen und in dessen Augen sich das Mondlicht spiegelte. Und obwohl er bereits um die ganze Welt gesegelt war und alle Gefahren in Stürmen und Schlachten überstanden hatte, war er diesem Mädchen wehrlos ausgeliefert gewesen. Sie hatte sein Herz erobert und es ihm dann gebrochen, sodass Newton befürchtete, es würde niemals wieder heilen.
Die Liebe musste man fürchten. Sie hatte die Macht, größtes Leid zuzufügen. Aber auch die Macht zu heilen.
Er hoffte, dass diese beiden jungen Menschen, die ihm so ans Herz gewachsen waren und die er hoch achtete, mit der Macht der Liebe weise umgehen würden.
13. KAPITEL
Es war schon nach Mitternacht, als Riordan nach oben kam, um Newt abzulösen. „Irgendein Hinweis auf drohende Gefahr?“, erkundigte er sich.
„Keinerlei Anzeichen für Piraten, Captain. Aber ich würde sagen, dass Sie sich mit einer anderen Gefahr befassen müssen.“ Newton schaute zur Reling hinüber, wo sich Ambrosia hingesetzt hatte. Völlig reglos sah sie noch immer zum Himmel hinauf, an dem groß und rund der Mond schien.
Riordan stieß halblaut einen Fluch aus.
„Ich sage dann Gute Nacht, Captain“, erklärte Newton. Der alte Mann lächelte, während er über das Deck ging.
Riordan betrachtete Ambrosia aufmerksam. Sie kam ihm vor wie ein Gemälde, das er einst in Paris gesehen hatte.
Die Nacht war windstill. Der Mond warf sein silbriges Licht über das ruhige Wasser. Es war nicht unbedingt nötig, das Ruder zu halten. Doch unwillkürlich umklammerte Riordan es fester, als er sah, wie sich Ambrosia erhob. Sie kam langsam auf ihn zu und zog sich dabei die Decke eng um die Schultern. Ihre Bewegungen waren leichtfüßig und anmutig. Und als Ambrosia immer näher kam, war ihm die Kehle plötzlich wie ausgetrocknet.
Irgendetwas war heute Nacht anders an ihr, wenn er auch nicht hätte benennen können, worin genau die Veränderung bestand. Vielleicht lag es an der Art, wie sie die Hüften schwang. Oder an dem scheuen und zugleich herausfordernden Blick, den er noch nie zuvor an ihr gesehen hatte.
„Riordan.“ Sie blieb dicht vor ihm stehen, und die Decke glitt zu Boden. Ambrosia lächelte zu ihm auf. Sie trug noch immer das weiße Kleid, das sie während Edwinas Besuch getragen hatte. Sie sah aus wie eine zauberhafte Fee, rein und unberührt.
Wie eine Flamme schoss das Begehren in ihm hoch. Daher klang er besonders schroff, als er sagte: „Du solltest in deiner Hängematte liegen und schlafen.“
„Ich kann aber nicht schlafen.“ Sie legte die Hand auf seine, mit der er das
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