Historical Lords & Ladies Band 38
haben.“
Winwick gestattete sich ein befriedigtes Lächeln. „Sie finden die Schießscheibe im Garten, weit ab von den Ställen, Mylady. Seine Lordschaft wollte die Pferde nicht erschrecken.“
„Er wollte die Pferde nicht erschrecken“, wiederholte Sarah indigniert und eilte hinaus in den Garten. „Sind Pferde etwa empfindlicher …?“
Am Ziel angekommen, ertönten in schneller Folge zwei weitere Schüsse, sodass sie vorübergehend nichts hören konnte. Das war unerheblich, denn der Anblick, der sich ihr bot, verschlug ihr die Sprache.
Die Scheibe stand vor einer Mauer und davor in ziemlicher Entfernung mit dem Rücken zu ihr Ravensdene, in jeder Hand eine Pistole.
Er hob beide Waffen und feuerte sie beinahe gleichzeitig ab. Sie hatte ihrem Onkel oft bei seinen Schießübungen zugesehen, doch angesichts der tödlichen Effizienz, mit der Ravensdene jeden Schuss ins Schwarze setzte, fröstelte sie.
Dann war es still.
„Es tut mir leid, wenn der Lärm dich gestört hat, Kleines.“ Er wandte sich zu ihr um. „Wie fühlst du dich heute Morgen?“
Seine höfliche Frage nach dieser Demonstration todbringenden Könnens schockierte sie. Es dauerte eine volle Minute, bis Sarah wieder sprechen und ihrer Empörung Ausdruck verleihen konnte. Sie fragte nicht, woher er wusste, dass sie da war. „Weißt du eigentlich, was du tust, Mylord?“
„Die neuen doppelläufigen Pistolen testen“, entgegnete er gelassen. „Beim zweiten Schuss verziehen sie ein wenig nach unten.“
Es durchlief sie immer noch eiskalt, und er sprach von den Vorzügen einer doppelläufigen Pistole! Sie funkelte ihn an. „Wie unangenehm.“
„Ich wusste, dass eine Meisterschützin wie du es verstehen würde.“ Er schmunzelte. „Komm, versuch es selbst. Ich werde sie für dich laden.“
„Ich glaube nicht …“
„Wir könnten die Entfernung etwas verkürzen.“
„Ich … Gib mir die Waffe!“ Sarah streckte trotzig die Hand aus.
„Hier, bitte. Ein Lauf ist geladen, das sollte reichen.“
„Danke. Himmel, die wiegt ja eine Tonne!“
„Sie ist schwerer als deine Waffe“, bestätigte Nick. „Hier, nimm beide Hände – so.“ Er stellte sich hinter sie und stützte ihre Handgelenke. Nur mit Mühe konnte Sarah die Pistole anheben.
„Du musst nur noch zielen und abdrücken“, flüsterte er ihr ins Ohr.
Nur zielen und abdrücken? Sie konnte nicht einmal die Finger bewegen, ihre Arme waren kraftlos. Der hinter ihr stehende Ravensdene kam ihr riesengroß vor. Riesig, stark und unnachgiebig wie die Mauer, vor der die Schießscheibe stand. Seine Arme hielten sie gefangen. Ihre Gefühle befanden sich in hellem Aufruhr.
„Brauchst du Hilfe?“, fragte er.
Natürlich brauchte sie die. Die dunkle einschmeichelnde Stimme an ihrem Ohr ließ sie schwach werden.
Sarah schloss die Augen und betätigte mit ihren verkrampften Fingern den Abzug. Es gab einen ohrenbetäubenden Knall, gefolgt von einem erschreckten Aufschrei, als der Rückstoß sie zurückwarf. Sie ließ die Pistole fallen, wirbelte herum und klammerte sich Halt suchend an Nicks Rock. Das Verlangen, sich enger an ihn zu schmiegen, wurde schier übermächtig. In seinen Armen fühlte sie sich geborgen.
„Du hast danebengeschossen“, bemerkte er befriedigt.
Sarah erstarrte. Röte stieg ihr ins Gesicht. Sie dachte an Ravensdenes Umarmung, und er … Empört hob sie den Kopf. „Schuft! Du wusstest, dass ich nie zuvor eine Waffe abgefeuert habe. Mach dich ja nicht über mich lustig!“
Er zog die Brauen hoch. „Dir dürfte aufgefallen sein, Liebling, dass kein Laut über meine Lippen gekommen ist.“
„Du lachst mit den Augen.“
Sie betrachtete ihn fasziniert. Er wirkte ganz ruhig. Seine sonst eisgrün glitzernden Augen glichen schwarzer Jade. Auch seine Stimme war dunkler, rauer, und berührte sie wie eine zärtliche Hand.
„Tue ich das, Sarah?“
Ihr Herz klopfte, als wollte es zerspringen.
Unvermittelt ließ Ravensdene sie los und trat einen Schritt zurück. „Es tut mir leid. Die Versuchung war einfach zu groß“, gab er zu, während er die Pistole aufhob. „Dir fehlt es wirklich nicht an Mut, Sarah.“
Sie fühlte eine unbestimmte Spannung, die Luft um sie herum schien zu vibrieren. Vielleicht war es nur ihr eigenes Zittern. „Nicht?“
„Nein. Und das lässt mich hoffen.“
„Worauf?“
Er antwortete nicht, schaute nicht einmal in ihre Richtung. Stattdessen lächelte er versonnen, als er die Waffe nachlud. Dieses Lächeln rief etwas wach, das
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