Historical Lords & Ladies Band 38
Löwenanteil der einträglichen Lockhart-Besitzungen erben würde. Wenn das der Fall war, bedeutete das mit ziemlicher Sicherheit, dass der Titel des Earl of Devereux bei der nächsten Ernennung von Peers durch den König wiedereingeführt und ihr Mann damit bedacht wurde. „Wir sollten nicht wünschen, dass John tot ist“, sagte Amelia und hielt sich das Taschentuch an das trockene Auge. Es wäre nicht schicklich gewesen, sich offen darüber zu freuen, dass der Tod des Bruders notwendig war, um das gewünschte Ergebnis zu zeitigen. „Doch angesichts der Tatsache, dass niemand John auch nur aus der Ferne gesehen hat, seit Papa ihn fortjagte und enterbte, befürchte ich, dass wir das Schlimmste annehmen müssen. Was mich zu etwas anderem bringt“, setzte Amelia bedeutungsvoll hinzu.
Constantia war sich sehr gut bewusst, an was die Schwester dachte, und sinnierte traurig über den aufgeweckten kleinen Jungen nach, der John einmal gewesen war. Er war ganz anders gewesen als sein ernster älterer Bruder Philip, der vor drei Jahren durch einen Reitunfall ums Leben gekommen war. Wie schade, dass John so zügellos geworden war, dass der Vater es für angebracht gehalten hatte, ihn nach der mysteriösen Sache zum Zeitpunkt des plötzlichen Todes der Mutter so entschieden vor die Tür zu setzen. Und was war das andere, das Amelia angedeutet hatte? „Wovon redest du?“, fragte Constantia wehleidig.
„Natürlich von dem Winzling.“
„Dem Winzling?“
Lady Thaxted hatte keine Geduld mit ihrem Echo. „Natürlich meine ich Cassandra. Mein Mann nennt sie so. Sie ist so winzig. Was in aller Welt sollen wir mit ihr tun, falls Papa nicht für sie vorgesorgt hat? Ich will ganz gewiss keine Debütantin am Hals hängen haben, für die man eine Mitgift finden und sie wie sauer Bier anbieten muss. Ich bin ebenso sicher, dass du und Edward auch nicht mit ihr belastet sein wollt. Ich frage mich, warum Papa sie hergebracht hat. Er hat nie die mindeste Notiz von ihr genommen, und das ist kein Wunder.“
„Papa hat nie die geringste Notiz von jemandem genommen, abgesehen von sich selbst“, sagte Constantia ein wenig aufsässig. „Aber du irrst dich, Amelia. In den letzten sechs Monaten seines Lebens hat er von ihr Notiz genommen.“
„Nun, das hilft uns jetzt nicht. Sie ist inzwischen fast neunzehn, nicht wahr? Und immer noch wird sie von der alten Miss Strood betreut, obwohl sie keine Gouvernante mehr braucht. Welch eine Geldverschwendung! Ich sage, man sollte Miss Strood entlassen und den Winzling zu unserer alten Cousine Flora als Gesellschafterin schicken. Flora hat sich in ihrem letzten Brief beschwert, dass ihre Gesellschafterin pensioniert werden muss, weil sie taub und töricht wird.“
Da Cousine Flora auch taub und töricht genannt werden konnte, schien das in Bezug auf die Gesellschafterin ein sehr harter Vorschlag zu sein, und noch härter hinsichtlich des Winzlings. „Es besteht also keine Hoffnung, den Winzling zu verheiraten?“, wagte Constantia zu fragen. Sie war nicht so hartherzig wie die Schwester.
Amelia hatte ihr jedoch nicht zugehört. Sie schaute sich in der Bibliothek um. „Als erstes werde ich, wenn wir den Besitz übernehmen, das ganze Haus renovieren lassen“, verkündete sie fest. „Dieser Raum zum Beispiel ist schäbig. Mein Mann sagt, Papa habe im Lauf der Zeit zu abgeschieden gelebt. Wir haben auch Pläne für die Ländereien. Sie müssen wirtschaftlicher gemacht werden. Papas Verwalter leben im Mittelalter. Sie werden gehen müssen, und zwar bald.“ Beim Äußern dieser grausamen Worte hatte sie selbstgefällig gelächelt. „Dann ist alles geregelt“, fügte sie hinzu. „Sobald das Testament verlesen wurde, werde ich an Cousine Flora schreiben. Cassandra sollte dankbar dafür sein, dass wir für sie alles so zufriedenstellend geregelt haben.“
Indigniert setzte Cassandra Merton, der Sicht der beiden Frauen entzogen, die so gefühllos über ihre Zukunft und die anderer hilfloser Untergebener sprachen, sich auf und wurde abwechselnd rot und blass. Ihre Augen, das hübscheste an ihrem Gesicht, sprühten vor Ärger. Natürlich hätte sie nicht in der Bibliothek sein und mithören dürfen, was die Erwachsenen besprachen. Der beste Platz zum Verstecken war, wie sie vor langer Zeit herausgefunden hatte, hinter den dicken Damastvorhängen auf einer der breiten Fensterbänke in der Bibliothek, wo das Licht gut war und sie eine herrliche Aussicht auf den Garten des in der Nähe von
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