Historical Lords & Ladies Band 38
Piccadilly gelegenen Hauses hatte. Sie war so gut verborgen, dass jeder, der nach ihr suchte, unweigerlich aufgab und annahm, sie habe sich in ihr winziges Zimmer im dritten Stock zurückgezogen, das gleich neben dem früheren Schulzimmer unter dem Dach lag, wo die Dienstboten hausten.
Und dort war, wie Cassandra sich streng vorhielt, der richtige und geeignete Platz für sie, da sie nur die arme, unbedeutende Verwandte war, der der verstorbene Earl of Devereux ein Zuhause gegeben hatte. Er hatte das dem einzigen verbliebenen Spross eines entfernten Zweiges der Familie gegenüber als seine Pflicht empfunden.
Die Schwestern hatten das Gespräch so schnell begonnen, dass Cassie keine Zeit geblieben war, aus dem Versteck hervorzukommen und sie auf ihre Anwesenheit aufmerksam zu machen. Und nachdem die beiden über so vertrauliche Dinge wie das Testament des Vaters und Cassandras abrupte Entfernung aus dem Haus geredet hatten, war es zu spät gewesen, sich zu zeigen. Für alle Beteiligten wäre es im höchsten Maße peinlich gewesen, hätte Cassie zu erkennen gegeben, dass sie die sie betreffenden Pläne belauscht hatte. Und was für Pläne! Wie unfreundlich von den Schwestern, so über sie zu reden! Auch wenn der Earl ihr nie viel Zuneigung bewiesen hatte, war er zumindest doch gewillt gewesen, ihr ein Heim zu bieten, was mehr war, als dessen Töchter offensichtlich zu tun bereit waren.
Sie hörte die Tür sich schließen. Die Schwestern waren gegangen und hatten sie ihrem Buch überlassen. Daran hatte Cassandra jetzt jedoch das Interesse verloren. Sie stand auf, ging in die schöne Eingangshalle und von dort zu der Haushälterin, bei der sich auch Miss Strood befand. Mrs James begrüßte sie herzlich. „Miss Strood, warum wird nie über Mr John geredet?“, fragte sie, nachdem sie eine Tasse Tee getrunken hatte.
Die Reaktionen der beiden Frauen waren interessant. Mrs James schüttelte den Kopf, und Miss Strood verkniff den Mund. „Mein liebes Kind …“ Miss Stroods Tonfall war noch förmlicher gewesen denn sonst, wenn sie mit Cass sprach. „Mr John war Lord Devereux’ jüngster Sohn, der vor zwölf Jahren, weil er sich so wild aufgeführt hatte, enterbt und ohne einen Penny auf die Straße gesetzt wurde. Ich glaube, das hatte etwas mit gestohlenem Geld oder anderem Eigentum zu tun. Das war vor meiner Zeit in diesem Haus. Ich weiß, dass Lord Devereux unter Androhung der Entlassung oder eines endgültigen Zerwürfnisses befohlen hat, der Name seines Sohnes dürfe von niemandem mehr erwähnt werden, weder von den Dienstboten noch von der Familie.“
„Das war mir geläufig“, warf Cassie ein. „Aber was genau hat Mr John sich zuschulden kommen lassen?“ Es stellte sich bald heraus, dass weder die Haushälterin noch Miss Strood wirklich wussten, warum der jüngste Sohn des Earl aus dem Haus vertrieben worden war.
„Er hatte den Ruf eines sehr wilden jungen Mannes“, gab Miss Strood schließlich zu. „Er war gar nicht wie der Viscount, der sehr solide war.“
„Viel zu solide.“ Mrs James, die im Allgemeinen gutmütig war, hatte in scharfem Ton gesprochen. „Ich mochte Mr John. Er hatte immer ein freundliches Wort für uns alle. Der Viscount hingegen fand alles selbstverständlich, was wir für ihn taten.“
„Nirgendwo gibt es ein Bild von Mr John“, merkte Cassie an.
„Oh, Seine Lordschaft hat alle Bilder entfernen lassen. Ich erinnere mich, dass es ein wundervolles Porträt von Mr John als jungem Mann gab, das gemalt wurde, bevor er sich mit seinem Vater überwarf. Es wurde auf den Dachboden gebracht. Auf dem Bild hat er seinen Lieblingsfalken auf der Hand. Er liebte Tiere, ja, das tat er. Der Viscount wiederum konnte sie nicht ausstehen.“
„Oh, das Porträt!“, äußerte Cassie gedankenlos. Eines Tages, als sie sich gelangweilt hatte, war sie auf den Dachboden über dem Dienstbotenquartier gegangen. Sie hatte aus den kleinen Fenstern auf die Stadt geschaut und dann zwischen den zerbrochenen Kisten, dem alten Mobiliar und den an die Wände gestellten Gemälden herumgestöbert. Neugierig hatte sie einige davon umgedreht. Eins hatte sie bezaubert. Damals war sie vierzehn Jahre alt gewesen und hatte sich sogleich in den unbekannten, gut aussehenden jungen Mann verliebt, der auf dem Bild mit dem geschnitzten Goldrahmen dargestellt war. Sie hatte gefunden, er sähe den Helden der Romane sehr ähnlich, die zu lesen Miss Strood ihr seinerzeit widerstrebend erlaubt hatte. Er war groß
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