Historical Lords & Ladies Band 38
Ausritt genossen habe.
„Ah, dann hast du mich gesehen“, antwortete er.
Ein wenig verstimmt überlegte sie, ob es irgendetwas gab, das ihm entging.
„Ich dachte, ich hätte dich am Fenster stehen sehen. Ja, ich habe den Ritt genossen. Die Pferde meines Vaters sind gut geschult. Du musst morgen mit mir ausreiten. Es gibt keinen Grund, weshalb wir nicht täglich miteinander ausreiten sollten. Ich nehme an, du kannst reiten? Falls nicht, werde ich es dir beibringen.“
Warum bedauerte Cassie, wo er doch so unglaublich korrekt und ernst war, dass er sie nicht mehr neckte und hänselte, wie bei den früheren Begegnungen? Vielleicht lag das an Mr Dicksons Abwesenheit, oder es lag daran, dass sie jetzt die Countess war und John sich übertrieben förmlich zu ihr benehmen musste? Ganz gleich, was der Grund war, sie zog den früheren John dem jetzt viel nüchterneren vor.
Sie plauderten über Belanglosigkeiten, während sie Tee tranken, bis John sich entschuldigte und zu seiner Arbeit zurückkehrte. Er studierte die Unterlagen mit ungeheurer Konzentration. Cassie kam der Gedanke, dass sie wenig über ihn wusste, und sie hoffte, die Zeit, die sie allein miteinander verbrachten, möge sie einander näher bringen. Doch er blieb für sie genauso rätselhaft wie zuvor.
Er war ausgesprochen höflich zu ihr. Nach der ersten Nacht kam er, bevor er sich in sein Zimmer zurückzog, immer für ein Weilchen in ihres, das, wie sie am ersten Tag herausgefunden hatte, mit seinem durch eine Tür verbunden war. Er achtete stets sorgfältig darauf, sie nicht zu überraschen, und kam zu ihr, nachdem ihre Zofe fort war. Er klopfte immer an und sprach über eine Vielzahl von Dingen mit ihr. Sie redete mit ihm über alles und nichts. Er war gut informiert, wie sie feststellte, und überraschend belesen.
„Mr Hunt hat mir gesagt, dass du gern liest und eine gelehrige Schülerin warst“, äußerte er einmal.
„Das zu sagen war nett von ihm.“
Plötzlich war der Gatte wieder der aufbrausende Mann, den sie ursprünglich kennengelernt hatte. „Nicht nett“, sagte er barsch, „falls er nicht gelogen hat. Nett wäre es gewesen, hätte er über dich nicht die Wahrheit gesagt. Er hat nicht gelogen, oder doch?“
„Nein, und ich würde gern, wenn wir nach Devereux House zurückgekehrt sind, mein Studium fortsetzen, falls die Tatsache, dass ich jetzt Countess bin, das zulässt.“
„Du wirst die Zeit dafür finden. Das verspreche ich dir.“ John stand auf.
Sein Blick war verhangen. Er hatte immer die Fähigkeit, Cassie zu überraschen, denn an diesem letzten Abend der Flitterwochen kam er, nachdem er davon Abstand genommen hatte, sie seit dem entflammenden Kuss am ersten Abend zu berühren, zum Bett, stützte die Hände neben ihr auf, während sie ihn aus großen Augen anschaute, und küsste sie wieder. Sie erschauerte, als sie sah, dass seine Pupillen geweitet waren und er sich nur mit Mühe beherrschte. Er straffte sich und blieb vor ihr stehen.
„Falls du je unglücklich bist, musst du mir das sagen. Ich habe nicht vor, dich unglücklich zu machen. Innerhalb vernünftiger Grenzen kannst du haben, was du willst. Nur dann, wenn das, was du haben willst, übertrieben zu sein scheint, musst du zu mir kommen und um Erlaubnis fragen. Hast du begriffen?“
Cassie nickte. Sie konnte nicht sprechen. Sie überlegte, ob die Gefühle, die sie hatte, auch ihn beeinflussten. Gewiss nicht! Denn war er nicht nur älter und erfahrener, und konnte er nicht jede Frau haben, die er wollte? Warum also sollte er seine durchschnittliche Gattin haben wollen? Ein Teufelchen, das sie gelegentlich ritt, und das sie mit Stroody bei mehr denn einer Gelegenheit in Schwierigkeiten gebracht hatte, veranlasste sie, in leicht spöttischem Ton zu fragen: „Bin ich deine rechtmäßige Gattin, John?“ Nun hatte sie ihn, wie das ihre Absicht gewesen war, bestimmt schockiert.
Er versteifte sich. Ganz still stand er da. Dann ballte er die Hände.
Sie hatte auf eine Weise, die sie nicht ganz begriff, einen Nerv bei ihm getroffen.
„Warum fragst du mich das? Noch dazu so spät?“
„Warum sollte ich dich das nicht fragen, John? Immerhin könntest du bereits irgendwo Frau und Kind haben. Hast du das?“
Plötzlich wurde sein Blick grausam. Er machte einen Schritt auf Cassie zu. Er ballte und öffnete die Hände. Im harschesten Ton, dessen er fähig war, antwortete er: „Keine Frau, kein Kind. Ich hatte einmal eine Hure, mehrere Jahre lang. Und ein Kind.
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