Historical Lords & Ladies Band 38
Schreibtisch und Ravensdene vor ihr auf einem Besucherstuhl.
Sarah musterte ihn argwöhnisch. „Wieso haben Sie sich hingesetzt?“
Er lächelte nur, machte es sich bequem und streckte die Beine aus. Ihr Herz fing an zu hämmern. Sie wollte aufspringen, fürchtete jedoch, dass Ravensdene ebenfalls aufstehen und sich zu seiner vollen Größe aufrichten würde. Sogar im Sitzen wirkte er groß und gefährlich, wie ein Panther in seiner gewohnten Umgebung – gelassen und doch wachsam.
„Wir beide müssen uns unterhalten, meinen Sie nicht auch, Miss Lynley?“
„Unterhalten? Worüber?“ Sarah hatte plötzlich trockene Lippen.
Ravensdene beobachtete, wie sie die Lippen mit der Zunge befeuchtete. Als er wieder aufschaute, fand sich keine Spur Humor mehr in seinem durchdringenden Blick. Er war jetzt sehr ernst. Und noch etwas anderes spiegelte sich in seinen Augen wider, etwas überaus Beunruhigendes.
„Wäre es so furchtbar gewesen, mich im Wald zu treffen?“, fragte er ruhig.
Sarah suchte verzweifelt nach einer passenden Antwort. „Es wäre … unschicklich, Mylord.“
Er zog die Brauen hoch. „Und sich allein in das Haus eines Gentleman zu wagen nicht?“
„Ich wollte zu Mrs Winwick.“ Sie räusperte sich unbehaglich. „Was haben Sie eigentlich mit Ihren Dienstboten gemacht? Mir ist niemand begegnet.“
„Sie müssen mich für einen Zauberer halten, wenn Sie glauben, ich könnte meine Leute verschwinden lassen. Würde es Sie beruhigen, wenn ich Ihnen verrate, dass sie im Westflügel beim Saubermachen sind?“
„Alle?“
„Leider ja. Meine Mutter will in Kürze einen Empfang geben, und da es eine größere Gesellschaft zu werden scheint, habe ich Winwick angewiesen, die anderen Räume ebenfalls herzurichten.“
„Ach so.“ Sie dachte einen Augenblick nach. „Wollten Sie nicht die Gehöfte inspizieren?“
„Das habe ich auch getan.“ Er lächelte. „Ist es nicht ein Glück, dass sich der Besitz in einem ausgezeichneten Zustand befindet und ich frühzeitig zurück sein konnte?“
„Glück für wen?“, murmelte Sarah verärgert. Ein merkwürdiges Zittern durchlief ihren Körper.
Sein Lächeln verwandelte sich in ein breites, selbstzufriedenes Schmunzeln. Für einen Moment glich Ravensdene dem Knaben, den Lady Wribbonhall beschrieben hatte. So musste er vor seinem schweren persönlichen Verlust und dem Krieg ausgesehen haben.
„Sie brauchen nicht nervös zu sein, Miss Lynley“, sagte er leise. „Mir ist vollkommen klar, weshalb Sie hier sind.“
Glaubte er etwa, dass er sie mit dieser einschmeichelnden Stimme beruhigen könnte? Ganz im Gegenteil! „Es ist nur … und dann …“
„Verstehe.“
„Nun ja, es wäre äußerst unschicklich gewesen“, flüsterte sie und fühlte sich wie eine Närrin.
„Sehr unschicklich. Und da Ihr Ruf auf dem Spiel steht, brechen wir am besten sofort auf.“ Er fischte einen Schlüssel aus seiner Tasche und warf ihn über den Schreibtisch. „Hier, fangen Sie.“
Sarah reagierte instinktiv und fing den Schlüssel auf. Als sie ihn ins Schloss steckte und die Schublade öffnete, warf sie Ravensdene einen unsicheren Blick zu. Er beobachtete schweigend, wie sie die Pistole herausnahm und in ihr Retikül steckte. Sie atmete tief durch und erhob sich.
„Ich danke Ihnen, Mylord. Ich bin …“ Sie verstummte jäh, als er ebenfalls aufstand. „Was haben Sie mit ‚brechen wir auf‘ gemeint?“
Er deutete auf ihr Retikül. „Wenn eine junge Dame meint, eine todbringende Waffe zu benötigen, um allein ausreiten zu können, ist ein echter Gentleman verpflichtet, ihr seinen Schutz anzubieten.“
„Aber …“
Er ergriff ihren Arm „Abgesehen davon muss ich im Interesse der öffentlichen Sicherheit darauf bestehen, Sie zu begleiten …“
„Öffentliche Sicherheit? Sie glauben, ich würde …?“
„Und was die Schicklichkeit betrifft, so können Sie unbesorgt sein.“ Ohne auf ihren Protest zu achten, führte er sie durch die angrenzenden Räume. „Sie gehen den gleichen Weg zurück, den Sie gekommen sind. Ich werde Sie ‚zufällig‘ hinter dem Haus treffen. Niemand wird erfahren, dass Sie sich weiter als zu Mrs Winwicks Zimmer gewagt haben.“
„Aber …“
„Und damit Sie sich unterwegs sicher fühlen, wird mein Reitknecht Figgins uns begleiten – natürlich in diskreter Entfernung.“
Bevor sie etwas erwidern konnte, öffnete Nick die Tür zum Speisezimmer, schob Sarah sanft hindurch und schloss sie erleichtert hinter ihr. Er
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