Historical Lords & Ladies Band 39
Geduld. Noch einmal erklärte er, wen er zu sprechen wünschte.
Diesmal wurde er darüber informiert, dass die Herrin einkaufen gegangen sei.
„Ich möchte zu Miss Jewell. Vermutlich erwartet sie mich. Ich habe ihr meinen Besuch gestern angekündigt.“
Endlich war das Mädchen bereit, ihn wenigstens bis in den Salon vorzulassen, den er bereits vom Vortag her kannte. Die Kleine versprach, die Karte zu übergeben, und verschwand. Robert fragte sich, ob er wohl bis in alle Ewigkeit würde warten müssen, ohne dass Miss Jewell von seinem Besuch erfuhr. Einstweilen indes begann er sich im Raum umzuschauen, denn dazu hatte er bei seinem ersten Besuch keine Gelegenheit gefunden.
Nie zuvor hatte er das Haus eines wohlhabenden Handwerkers betreten. Und er war erstaunt darüber, wie sehr die Einrichtung sich von der seiner Verwandten und Freunde unterschied. Hier gab es keine Familienerbstücke. Die Möbel waren neu, und obwohl sie offensichtlich von guter Qualität waren, gefielen sie ihm nicht, weil sie einen protzigen Eindruck machten. Die meisten freien Flächen auf Tischchen und Regalen waren mit Porzellanfiguren und Ähnlichem vollgestellt. Gemälde und Bücher hingegen gab es nicht – mit Ausnahme eines angekohlten, in Leder gebundenen Bandes, der im Kamin lag. Mit gerunzelter Stirn trat Robert näher und betrachtete die rußigen Reste.
„Lord Selborne?“
Er fuhr herum.
In der Tür stand Miss Jewell, die ein gelbes Musselinkleid mit Blütenmuster trug. Ihr schwarzes Haar wurde von einem breiten gelben Band zusammengehalten. Sie sah hinreißend aus, jung, unschuldig und sehr lebendig. „Es ist wirklich sehr freundlich von Ihnen, mir Ihre Aufwartung zu machen. So habe ich Gelegenheit, Ihnen noch einmal für Ihre gestrige Hilfe zu danken.“
Robert lächelte ihr zu. Ihm war nicht entgangen, wie formell sie ihn empfing. Offenbar hatte sie nicht einmal die Absicht, ihm einen Platz anzubieten. Aber er war entschlossen, sich nicht unverrichteter Dinge fortschicken zu lassen. Er würde seinen ganzen Charme einsetzen und notfalls auf Tricks zurückgreifen, um in Ruhe mit ihr reden zu können.
„Miss Jewell“, begann er, „es freut mich, Sie wohlauf zu sehen. Denn das, was ich Ihnen zu sagen habe, hätte ich schwerlich am Krankenbett vorbringen können.“
Sie errötete.
„Als ich gestern herkam, tat ich das in der Absicht, etwas Wichtiges mit Ihnen zu besprechen.“
Sie zögerte. Doch dann siegte die Neugier. „Und was könnte das sein?“
„Wollen wir uns nicht setzen, während wir uns unterhalten?“
Sie dachte ernsthaft darüber nach, nickte schließlich und bot ihm einen Stuhl an. Ehe sie selber Platz nahm, nahm sie einen Schleier, der über der Lehne hing, faltete ihn zusammen und legte ihn beiseite.
„Ein Brautschleier?“, erkundigte Robert sich.
„Ja, meiner. Ich werde in drei Wochen heiraten.“ Ihre Stimme klang seltsam tonlos.
„Oh!“ Er hatte nicht erwartet, eine derart tiefe Enttäuschung wegen einer solchen Information zu empfinden. „Das bedeutet, dass ich Ihnen meinen Vorschlag nicht erst zu unterbreiten brauche.“
Sie schaute ihn fest an. „Bitte sprechen Sie“, forderte sie ihn in völlig verändertem Ton auf. „Ich bin sehr gespannt auf das, was Sie mir zu sagen haben.“
3. KAPITEL
R obert schüttelte den Kopf. Wenn Miss Jewell verlobt war, konnte er sie unmöglich fragen, ob sie ihn heiraten wolle.
„Bitte!“, drängte sie. „Auch wenn es Ihnen unpassend erscheinen mag, ich möchte hören, was Sie zu sagen haben.“
Eingehend musterte er ihr Gesicht. In ihren Augen erkannte er einen wissenden Ausdruck, der ihn daran erinnerte, dass sie zwar die Erziehung einer jungen Dame genossen hatte, dass sie jedoch zuvor als Kaminkehrerin Dinge erlebt hatte, von denen die meisten Mitglieder der sogenannten guten Gesellschaft nichts ahnten. Zweifellos wusste sie alles über die Art von Vorschlägen, die Männer Frauen gelegentlich machten.
Einen Moment lang fragte er sich, wie viele solcher Angebote sie wohl bereits selber erhalten – und angenommen – hatte.
„Sie werden sich erinnern, dass ich bald heiraten muss“, begann er kurz entschlossen. „Ich bin hergekommen, um Sie um Ihre Hand zu bitten.“
Sie riss ungläubig die Augen auf. Und ihm wurde klar, dass sie tatsächlich angenommen hatte, er würde sie fragen, ob sie seine Mätresse werden wolle. Dass er ihr einen Heiratsantrag gemacht hatte, war ein Schock für sie und ließ sie vermutlich annehmen, er habe
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