Historical Lords & Ladies Band 39
bemerkte er den Earl.
Von der anderen Seite der Tür her war ein klatschendes Geräusch zu vernehmen.
„Helfen Sie mir!“, forderte Jack den Besucher auf. „Sie ist dort drin!“
Es war keine weitere Erklärung nötig. Mit vereinten Kräften warfen die beiden Männer sich gegen die Tür.
Sie lag ausgestreckt auf dem Sofa, und irgendwer hatte ihr ein Kissen unter den Kopf geschoben. Außerdem kühlte ein feuchtes Tuch ihre schmerzende Stirn, und jemand hielt sanft ihre Hand.
Jemima nahm diese Dinge wahr, ohne sie wirklich zu begreifen. Sie fühlte sich krank. Ihre Glieder schmerzten, ihr Schädel dröhnte. Doch durch das Dröhnen war eine Stimme zu vernehmen. Eine männliche Stimme, die sich zugleich ruhig und befehlsgewohnt anhörte und die ihr irgendwie bekannt vorkam.
Vorsichtig öffnete sie die Augen.
Niemand anders als Robert Selborne saß neben ihr. Er betrachtete aufmerksam und besorgt ihr Gesicht. Als ihre Blicke sich trafen, begann er zu lächeln. Es war ein so zärtliches Lächeln, dass Jemima das Herz stehen bleiben wollte.
„Bleiben Sie ganz still liegen“, sagte er. „Sie haben nichts zu befürchten. Ihr Bruder hat Ihre Mutter nach oben begleitet und ist jetzt, wenn ich mich nicht täusche, mit Ihrem Vater im Hof. Anscheinend gibt es dort eine Pumpe, und kaltes Wasser hat schon viele Menschen wieder zur Vernunft gebracht.“
„Ich muss Mama helfen.“ Jemima versuchte sich aufzusetzen.
„Das Dienstmädchen ist bei ihr. Und ehe Sie irgendetwas tun, müssen wir klären, ob Sie verletzt sind.“
„Ich glaube …“ Sie unterbrach sich, weil auch die kleinste Bewegung schmerzte. Vergeblich bemühte Jemima sich, ein Stöhnen zu unterdrücken.
Roberts Miene wirkte plötzlich hart. Es kostete ihn nahezu übermenschliche Anstrengung, ruhig zu bleiben. Am liebsten hätte er sich auf Alfred Jewell gestürzt, um ihm eine Lektion zu erteilen, die er nicht so bald vergessen würde. Nur der Respekt, den er Jemima entgegenbrachte, hielt ihn davon ab. Er wollte die Tochter nicht kränken, indem er den Vater strafte. Sie musste auch so zutiefst beschämt sein, weil er Dinge über ihre Familie herausgefunden hatte, die kein Außenstehender je hätte erfahren sollen.
„Es tut mir so leid …“, murmelte sie.
„Es gibt nichts, was Ihnen leidtun müsste. Bitte sagen Sie mir nur, ob Sie verletzt sind.“
„Ich habe Kopfschmerzen“, gestand sie. „Aber ich glaube, sonst ist mir nichts passiert.“ Diesmal gelang es ihr, sich aufzusetzen.
„Sie haben da einen schlimmen Bluterguss am Schlüsselbein.“
„Oh!“ Sie errötete und versucht das Kleid über die verletzte Stelle zu ziehen. „Es ist nicht der Rede wert …“
Roberts Blick war so eindringlich auf sie gerichtet, als wolle er jedes ihrer Geheimnisse aufdecken.
„Vermutlich bin ich dort von der Gürtelschnalle getroffen worden“, erklärte sie. „Es ist wirklich nicht so schlimm.“
„Hier können Sie nicht bleiben. Ich würde mir Sorgen um Sie machen.“
„Keine Angst, ich werde mich um sie kümmern“, verkündete Jack, der unbemerkt von den beiden ins Zimmer getreten war.
Und plötzlich herrschte eine gefährliche Spannung im Raum. Der Earl erhob sich, und er und der Handwerker musterten sich mit abschätzenden, zornigen Blicken.
Ein Schauer überlief Jemima. Sie wusste sehr wohl, dass sie der Grund für diese gegenseitige Abneigung war. Bittend streckte sie die Hand aus. „Wir sollten Lord Selborne für seine Hilfe danken.“
Die Männer starrten sich an. Eine kleine Ewigkeit schien zu vergehen, ehe Jack Jewell dem Earl versöhnlich zunickte. Glücklich sah er dabei allerdings nicht aus. Eher vermittelte er den Eindruck eines Mannes, der unter heftigen Zahnschmerzen litt.
Jemima musterte Selborne. Seine Miene ähnelte der ihres Bruders so sehr, dass sie beinahe laut aufgelacht hätte. Himmel, was hatten die beiden nur gegeneinander? Männer!
„Auf Wiedersehen, Miss Jewell“, sagte der Earl in ihre Gedanken hinein. „Ich werde morgen vorbeikommen, um mich nach Ihrem Befinden zu erkundigen. Mr Jewell!“ Er deutete eine Verbeugung in Jacks Richtung an, und schon war er zur Tür hinaus.
Am nächsten Tag reichte Robert Selborne seine Karte dem kleinen Dienstmädchen, das noch immer einen verängstigten Eindruck machte. „Ist Miss Jewell zu sprechen?“, fragte er.
Keine Antwort.
„Bitte melden Sie mich Miss Jewell.“
„Der Herr ist nicht daheim. Und Master Jack ist auch auf der Arbeit.“
Robert übte sich in
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