Historical Lords & Ladies Band 39
den Verstand verloren. Jedenfalls stand sie, ohne ein Wort zu sagen, auf und streckte die Hand nach der Klingelschnur aus.
„Bitte warten Sie! Ich möchte es Ihnen erklären.“
Sie wandte sich zu ihm um, schaute ihn einen Augenblick lang an und nahm wieder Platz. „Ich gebe Ihnen fünf Minuten.“
Eine halbe Stunde später saßen die beiden noch immer zusammen. Jemima hatte nach Tee geschickt. Und sie hatte Robert, nachdem sie ihn angehört hatte, in aller Ruhe erklärt, dass eine Ehe zwischen ihnen schon deshalb nicht infrage kam, weil sie die testamentarischen Bedingungen nicht erfüllen würde. „Ihr Vater hat verlangt, dass Sie eine der Damen heiraten, die an der Hochzeitsfeier Ihrer Cousine teilnehmen.“
„Sie meinen, ich müsste Augusta Selborne oder einer der anderen Frauen einen Antrag machen?“ Robert grinste wie ein Lausbub. „Wahrhaftig, ich könnte es nicht über mich bringen.“
„Aber ich bin keine Dame!“
Seine Augen blitzten amüsiert auf.
Und rasch fügte Jemima hinzu: „Zumindest bin ich nicht als Dame geboren.“
„Immerhin haben Sie die richtige Erziehung genossen und wissen sich zu benehmen.“
Sie nickte, wobei sie ihn nachdenklich betrachtete. Sie wusste, dass sie einem Test unterzogen wurde. Robert beobachtete sehr genau, wie sie sich verhielt. Das war ein wenig beunruhigend. Weitaus beunruhigender allerdings war, dass sein Blick manchmal beinahe wie eine Liebkosung auf ihr ruhte und ihr heiße Schauer über den Rücken jagte.
Sie räusperte sich. „Ich bin und bleibe die Tochter eines Schornsteinfegers.“
„Durch Ihre Erziehung, Ihren achtbaren Charakter und Ihre rasche Auffassungsgabe sind Sie zu einer wahren Dame geworden.“
„Ich fürchte, Sie täuschen sich in mir. Ich benehme mich durchaus nicht immer damenhaft.“
Diese Bemerkung brachte ihn zum Lachen. „Ich hoffe, Sie gestatten mir, dabei zu sein, wenn Sie aus der Rolle fallen.“
„Finden Sie es so interessant, wenn eine Frau einen Krug Ale einem Glas Wein vorzieht?“
Ihre Schlagfertigkeit entzückte ihn und bestärkte ihn in seinem Entschluss. „Ich bin sicher“, erklärte er, „dass niemand behaupten könnte, ich hätte die Bedingung meines Vaters nicht erfüllt, wenn ich Sie zu meiner Gattin mache.“
„Wer entscheidet letztendlich darüber? Dieser Anwalt?“
„Ja. Churchward wird ganz und gar mit dieser Eheschließung einverstanden sein.“ Er griff nach ihrer Hand und hielt sie fest. „Kommen wir also zu Ihren anderen Einwänden.“
„Woher wissen Sie, dass ich weitere Bedenken habe?“
„Ich sehe es Ihnen an, Miss Jewell. Sie haben ein sehr ausdrucksvolles Gesicht.“
Sie seufzte auf. „Oh … Angenommen, ich nehme Ihren Antrag an. Was erwarten Sie dann von mir? Sie erwähnten vorhin, dass die Ehe eine reine Formsache sein würde.“
„Das stimmt. Sie kennen die Hintergründe. Daher erscheint mir folgende Lösung am sinnvollsten: Nach der Vermählung begebe ich mich direkt auf mein Landgut in Oxfordshire. Für Sie werde ich eine passende Wohnung in London anmieten und Ihnen eine monatliche Rente zahlen, damit Sie nicht länger im Haus Ihres Vaters leben müssen.“
„Und sobald Sie die ererbte Summe erhalten, werden Sie mir einen Teil davon auszahlen“, meinte Jemima mit einem Nicken. „Später können wir dann die Ehe annullieren lassen. Von mir erwarten Sie nichts weiter als Diskretion und natürlich meine Einwilligung zur Hochzeit. Das habe ich alles längst verstanden, Mylord. Was ich nicht begreife, ist, warum Sie das tun.“
Einen Moment lang verriet Robert Selbornes Miene Unbehagen. Doch dann erklärte er ruhig: „Mir erscheint diese Regelung sinnvoll. Ich bekomme das Geld, das ich so dringend benötige, und Sie sind frei von der Tyrannei Ihres Vaters.“
„Hm … Und keiner von uns ist gezwungen, eine unerwünschte echte Ehe einzugehen.“
„Genau!“
„Aber es könnte alles Mögliche schiefgehen!“
„Warum befürchten Sie das?“
„Nun, ich kann mir kaum vorstellen, dass unser Arrangement wirklich geheim bleibt. Schon wegen Ihrer Familie! Irgendjemand ist bestimmt neugierig, spioniert uns nach und findet heraus, was wir vorhaben. Das muss zu Problemen führen.“
Robert schüttelte den Kopf. „Ich habe nur wenige Verwandte, und die sehe ich äußerst selten.“
„Sie haben zumindest eine Tante und mehrere Cousins und Cousinen.“
„Mit meinem Vetter Ferdie stehe ich tatsächlich regelmäßig in Kontakt. Wir sind Freunde. Aber er hasst das
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