Historical Lords & Ladies Band 39
ihnen – allerdings mit einem amüsierten Blitzen in den Augen – vorgeworfen, sich absolut unmöglich zu benehmen. Nun, auch wenn es nicht den herrschenden Gepflogenheiten entsprach, die Zuneigung zum eigenen Ehepartner so offen zu zeigen, war es doch wundervoll, mit Robert zu tanzen.
Jemima gestand sich ein, dass sich nicht nur ihre Beziehung zu ihrem Ehemann geändert hatte. Auch sie selber war nicht mehr die, die er vor wenigen Wochen auf Anne Selbornes Hochzeit kennengelernt hatte. Nach und nach hatte sie ihre Angst vor körperlicher Anziehung verloren. Und was noch wichtiger war: Sie hatte begriffen, dass es ein großes Glück war, jemandem so rückhaltlos vertrauen zu können wie ihrem Gatten. Sie wusste nun, dass er immer zu ihr stehen würde. Vielleicht – sie wagte es kaum zu hoffen – liebte er sie ja ebenso wie sie ihn. Und das war das größte Wunder! Nie hätte sie gedacht, dass sie zu einer solchen Liebe fähig war.
Die Musik verklang, und plötzlich stand Letty neben Jemima. Ein verträumtes Lächeln lag auf ihrem Gesicht, gleichzeitig allerdings sah sie irgendwie aufgeregt aus. Ob es nur daran lag, dass ihr Ball ein so überwältigender Erfolg war?
In diesem Moment hörten beide, wie Augusta die Stimme erhob und zu einer Gruppe von elegant gekleideten Gästen sagte: „Wer hätte gedacht, dass es die Tochter eines Schornsteinfegers jemals bis zur Countess of Selborne bringen würde?“
Jemima erbleichte. Lettys Wangen hingegen röteten sich vor Zorn. „Dieses Biest!“, stieß sie hervor. „Aber sie hat ihre Rechnung ohne Großmama gemacht!“
Zunächst allerdings sah es so aus, als hätte Augusta mit ihrer Boshaftigkeit genau das erreicht, was sie wollte. Schockierte Blicke wurde auf Jemima gerichtet.
„Sie hat es mit einem erstaunlich einfachen Trick geschafft“, fuhr Augusta fort. „Sie hat den Earl kennengelernt, als man sie engagiert hatte, auf einer Hochzeit in London für die Unterhaltung der Gentlemen zu sorgen. Offenbar …“
Es war Robert, der sie ruhig, aber unmissverständlich zum Schweigen brachte. „Du schadest dir nur selber, wenn du so redest“, meinte er in höflichem Ton. „Ich bin sehr stolz auf meine Gemahlin, denn niemand könnte der Position der Countess mehr Ehre machen als sie.“
Vor Rührung stiegen Jemima die Tränen in die Augen.
„Wie wahr“, meldete sich nun Lady Marguerite zu Wort. Sie musterte Augusta mit deutlicher Abneigung. „Ich bin sehr froh darüber, dass mein Enkel Jemima zur Gattin gewählt hat. Mir erscheint es völlig unwichtig, dass ihr Vater als Schornsteinfeger arbeitet. Ebenso gleichgültig lässt es mich, dass Augustas Großvater sein Vermögen mit der Herstellung von Seife gemacht hat.“
Irgendjemand kicherte, und Augustas Wangen färbten sich tiefrot vor Zorn. „Das kann man nicht vergleichen“, stieß sie hervor. „Mein Großvater war der Besitzer von fünf Manufakturen!“
„Es tut mir wirklich leid, Augusta, dass das für dich von so großer Bedeutung ist“, meinte die alte Dame gelassen. „Für mich allerdings zählt nur eines: Dass mein Enkel glücklich ist.“
Bertie Pershore hatte Augustas Arm ergriffen und flüsterte ihr etwas zu. Offenbar wollte er sie aus dem Raum führen, ehe sie sich noch unbeliebter machte. Aber die junge Frau rührte sich nicht vom Platz. Mit vor Wut bebender Stimme rief sie: „Vielleicht würden Sie die Situation anders einschätzen, wenn Sie wüssten, dass Lady Selborne bereits ein Kind hat, dessen Vater gewiss nicht ihr Gatte ist.“
Entsetztes Schweigen senkte sich über den Raum. Fassungslos schauten Letty und Jemima einander an. Auch diesmal war es Robert, der als Erster die Sprache wiederfand. „Du irrst, Augusta. Tilly ist nicht die Tochter meiner Gattin. Und deine Vorliebe für üble und noch dazu unwahre Anschuldigungen wirft kein gutes Licht auf dich.“
In diesem Moment wurde der Vorhang von der Terrassentür zur Seite geschoben und ein gut aussehender, elegant gekleideter Gentleman trat in den Ballsaal. „Ich kann Ihnen versichern“, sagte er, „dass Lord Selborne die Wahrheit spricht. Niemand anders als ich selbst bin Tillys Vater. Ach, ich muss mich wohl noch vorstellen.“ Er verbeugte sich vor den Gästen. „Ich bin Jack Jewell, Lord Selbornes Schwager.“
Jemima wollte ihren Augen nicht trauen, als sie sah, dass Robert auf ihren Bruder zutrat, ihm die Hand schüttelte und ihn mit den Worten begrüßte: „Jewell, welch freudige Überraschung, Sie zu sehen.
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