Historical Lords & Ladies Band 39
für möglich gehalten, dass der Baron, der im ton aus einer Fülle von bereitwilligen Damen eine Frau für sich wählen konnte, sich ausgerechnet ernsthaft für sie interessieren würde. Natürlich hatte sie gehofft, seine Gattin zu werden, indes angenommen, er würde nur freundschaftliche Gefühle und Zuneigung für sie aufbringen. Sie hatte sich damit abgefunden, eine lieblose Ehe zu führen, falls er sich mit ihr vermählte.
Sein Verhalten im Wäldchen hatte sie jedoch nachdrücklich eines anderen belehrt. Er begehrte sie, und diese Erkenntnis war wohltuend. Andererseits sah sie sich plötzlich einem ernsten Problem gegenüber. Durch seine Lust war ihre Leidenschaft geweckt worden. Da ein Gentleman von seiner zukünftigen Gemahlin ein züchtiges Betragen erwartete, wusste sie nicht, wie sie nun ihre Empfindungen verbergen oder zumindest annehmbar kaschieren solle.
Am vergangenen Abend hatte er zunächst vor dem Dinner, dann nach dem Essen, versucht, ungestört mit ihr zu reden, ihr war es jedoch gelungen, sich ihm zu entziehen. Sie war nicht willens, sich mit ihm auseinanderzusetzen. Erst musste sie das innere Gleichgewicht wiedergefunden und die Zuversicht haben, das Verhältnis zu ihm auf die Weise gestalten zu können, dass sie ihm als seine zukünftige Gattin keinen Anlass für Beanstandungen bot.
Nach reiflichem Überlegen kam sie jedoch zu dem Schluss, es sei ratsamer, sich mit Seiner Lordschaft noch vor dem Eintreffen der Gäste auszusprechen. Sie machte Morgentoilette, ließ sich von Nell für das Gartenfest ankleiden und frisieren und machte sich auf den Weg ins Parterre.
Als sie auf der Treppe war, sah sie Lord Ruthven in eleganter Tagesgarderobe das Entree betreten. Er näherte sich, blieb vor der Treppe stehen und schaute Antonia entgegen. Langsam ging sie auf ihn zu und sagte, sobald sie bei ihm war, in höflichem Ton: „Guten Morgen, Sir.“
„Guten Morgen, Miss Antonia“, erwiderte er ruhig. „Schließen wir Frieden?“
„Sie haben mich bezichtigt, Sie verführen zu wollen“, antwortete sie unwirsch.
„Das war ein Lapsus, den ich bedauere. Ich weiß, dass Sie diese Absicht nicht haben.“ Zu diesem Schluss war er inzwischen gelangt. Ungeachtet der Pläne, die seine Stiefmutter und ihre Nichte geschmiedet haben mochten, war Miss Mannering in weiblichen Listen viel zu unerfahren. Das, was sich zwischen ihr und ihm ereignet hatte, war auf sein Betreiben hin geschehen. „Ich möchte, dass wir Frieden schließen“, fuhr er freundlich fort. „Ich brauche Sie, um die Honneurs zu machen.“
Steif neigte sie den Kopf. „Sie können sich auf mich verlassen, Sir“, erwiderte sie leise.
„Danke“, sagte er erleichtert und lächelte gewinnend.
Das Fest war ein großer Erfolg geworden. Die erwachsenen Gäste hatten sich gut amüsiert, die Kinder waren durch mannigfache Abwechslungen beschäftigt gewesen, und Miss Mannering hatte, wie Philip fand, ihre Rolle als seine Stiefmutter vertretende Gastgeberin hervorragend ausgefüllt.
Nachdem alle Gäste abgefahren waren, schlenderte er mit ihr im Licht der sinkenden Sonne in den Park zurück und sagte zufrieden: „Glücklicherweise ist niemand in den See gefallen. Zum großen Teil habe ich es Ihnen zu verdanken, dass alles so reibungslos verlaufen ist. Ihr Bruder hat mich sehr beeindruckt. Er hat das Kasperspiel sehr geschickt in Szene gesetzt.“
„Ja, die Kinder waren begeistert.“
„Es muss schwer für Sie gewesen sein, ihn praktisch allein zu erziehen.“
„Ich habe es nie bereut, mich seiner annehmen zu müssen. Im Gegenteil, es hat mir Freude gemacht.“
„Aber es gibt bestimmt genügend Leute, die auf dem Standpunkt stehen, dass die Beaufsichtigung Ihres Bruders nicht Ihre Pflicht war, jedenfalls nicht zu Lebzeiten Ihrer Mutter.“
„Gewiss“, stimmte Antonia zu. „Nach dem Tod meines Vaters, den sie sehr liebte, hat sie sich jedoch ganz in sich zurückgezogen. Irgendwie kam sie sich verloren vor und nahm keinen inneren Anteil mehr an Geoffrey und mir. Zunächst hatte ich kein Verständnis für ihre Einstellung, doch mit der Zeit begriff ich, wie schön es sein muss, einen Menschen bis zur Selbstaufgabe zu lieben.“
Philip nickte bedächtig und schlenderte mit Miss Mannering zum Haus. Auf der Terrasse blieb er stehen, betrachtete den zertretenen Rasen im Park und sagte seufzend: „Ich glaube, so schnell werde ich ein Fest dieser Art nicht wieder geben. Womit ich Ihre Leistung nicht schmälern will, Miss Antonia. Indes
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