Historical Lords & Ladies Band 39
seinem stets beherrschten, distinguierten und weltgewandten Betragen zu nehmen.
Sobald sie ihm bewiesen hatte, dass sie diszipliniert und gelassen sein, sich in Gesellschaft sowohl höflich distanziert als auch charmant geben konnte, würde er bestimmt um ihre Hand anhalten.
Zufrieden wandte Henrietta sich vom Fenster ab und sagte erleichtert: „Mein Stiefsohn scheint die Ausfahrt mit meiner Nichte genossen zu haben. Das beruhigt mich, denn ich hatte angefangen, mich zu sorgen. Zu viele junge Damen haben ihm beim Gartenfest schöne Augen gemacht.“
„Er war doch sehr aufmerksam zu Miss Mannering“, wandte Alice ein, „und ist ihr fast nie von der Seite gewichen. Im Übrigen hatte ich den Eindruck, dass Miss Abercrombies und Miss Castletons Bemühungen, ihn für sich zu einzunehmen, eher einen gegenteiligen Effekt hatten.“
„Miss Castleton ist wirklich eine aufdringliche Person“, stimmte Henrietta der Zofe zu. „Aber Männer sehen ein solches Verhalten in anderem Licht denn Frauen. Für sie zählt meist nur das Äußere, und Sie müssen zugeben, Alice, dass Miss Castleton sehr ins Auge fallende Reize zu bieten hat. Zum Glück ist Philip kein Mann, der sich von Oberflächlichkeiten blenden lässt. Miss Castleton hat ihn jedenfalls nicht beeindruckt.“
„Er war wohl eher durch andere Dinge abgelenkt“, warf Alice trocken ein.
„Was meinen Sie damit?“, wunderte sich Henrietta.
„Ihre Nichte hat eine ausgezeichnete Figur, auch wenn sie ihre Vorzüge nicht zur Schau stellt“, antwortete Alice lächelnd. „Ich bin der Ansicht, dass Seine Lordschaft sein Augenmerk bereits auf Miss Antonia gerichtet hat.“
„Das wäre ganz in meinem Sinn“, erwiderte Henrietta strahlend. „Und somit ist es an der Zeit, unseren Aufenthaltsort nach London zu verlegen.“
5. KAPITEL
A ntonia hatte sich sputen müssen, um rechtzeitig zum üblichen Morgenritt beim Stall zu sein. Das Ende des langen Reitrocks über den linken Arm gelegt, die Gerte in der Hand, den Zylinder mit der Rechten festhaltend, hastete sie über den Hof und sah Lord Ruthven neben den beiden gesattelten Pferden stehen. Geoffrey saß bereits auf seinem Grauschimmel.
Philip bemerkte sie und schmunzelte belustigt ob ihrer Eile.
Sogleich ging sie langsamer, blieb neben dem Rotfuchs stehen und legte, als Seine Lordschaft zu ihr kam, um ihr in den Sattel zu helfen, die Hände auf seine Schultern.
Er umfasste ihre Taille, hob sie mühelos aufs Pferd und schwang sich dann auf seinen Rappen. In scharfem Trab ritt man vom Platz durch den Park und schlug den Weg durch die Felder ein.
Der forsche Ritt half Antonia, die Gedanken zu ordnen. Es beruhigte sie, auf einem rassigen Pferd durchs Gelände zu preschen. Dieses Erlebnis hatte sie in den verflossenen acht Jahren vermisst. Sie wusste, dass, abgesehen von Lord Ruthven, kein Gentleman ihr gestatten würde, mit verhängten Zügeln zu reiten. Er befand sich eine halbe Pferdelänge vor ihr und schien mit seinem Hengst verschmolzen zu sein, ein Anblick, der ihr das Herz schneller schlagen ließ.
Der Weg, den er nahm, war ihr unbekannt. Auf einem Hügel hielt man an, und unten im Tal erblickte sie ein von einem Garten umgebenes Cottage. „Wer wohnt dort?“, erkundigte sie sich.
„Mrs Mortingdale“, antwortete Philip. „Sie ist vor Kurzem verwitwet. Ein Stück ihres Landes, ungefähr zwanzig Acres, erstreckt sich in meinen Besitz.“
„Wäre es dann nicht sinnvoll, es zu kaufen?“, fragte Antonia. „Für ein so kleines Stück Land kann sie ohnehin keinen hohen Preis verlangen.“
„Ja und nein“, erwiderte Philip achselzuckend. „Mein erstes Angebot hat sie nicht akzeptiert. Daraufhin habe ich Mr Custer angewiesen, ihr mehr zu bieten. Bisher ist sie nicht darauf eingegangen. Doch da sie anderenorts Verwandte hat, wird sie bestimmt irgendwann verkaufen.“
Geoffrey wollte zu der Brücke reiten, die den schmalen Fluss im Tal überspannte, und Antonia erlaubte es ihm. „In den letzten beiden Tagen waren Sie sehr beschäftigt“, sagte sie und trieb den Rotfuchs an. „Nimmt die Verwaltung des Gutes so viel Zeit in Anspruch?“
„Nein“, antwortete Philip und schloss sich Miss Mannering an. „Indes fand ich es angebracht, mir ein Bild über die Ertragslage zu verschaffen.“
„Wäre das nach der Ernte nicht sinnvoller gewesen? Jedenfalls habe ich es in Mannering Park so gehalten.“
„Nun, ich denke, dass meine augenblickliche Situation andere Anforderungen an mich stellt als Ihre
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