Historical Lords & Ladies Band 39
Sie.“
Entgeistert starrte sie ihn einen Moment lang an, schüttelte dann fassungslos den Kopf und suchte rasch ihr Ankleidezimmer auf. Sie läutete der Zofe, hieß die einige Minuten später eintretende Nell, sich zu sputen, und kehrte, nachdem sie für den Ausritt hergerichtet war, zum Baron ins Vestibül zurück. Gemeinsam begab man sich zum Stall, vor dem Reitknechte die Pferde am Halfter hielten.
Philip half ihr in den Sattel, schwang sich auf seinen Hengst und bedeutete ihr, sich ihm anzuschließen. In scharfem Galopp hielt er auf ein Wäldchen zu, durchquerte es und brachte den Rappen am Rande eines Teiches zum Stehen. Behänd saß er ab, band das Pferd an einen Baum und hob dann Miss Mannering aus dem Sattel.
„Was hat das zu bedeuten?“, erkundigte sie sich verblüfft. „Irgendetwas scheint nicht in Ordnung zu sein.“
„Allerdings!“, erwiderte er trocken, ergriff ihre Hand und drückte einen Kuss auf das Handgelenk.
Unwillkürlich versteifte sich Antonia.
„Und nun verraten Sie mir, Miss Antonia, wer hier wen verführt.“
Sie glaubte, sich verhört zu haben, und starrte ihn befremdet an.
„Bin ich derjenige, der die erotische Spannung, die sich zwischen einem Mann und einer Frau ergeben kann, ausnutzt, oder sind Sie das?“, fragte er spöttisch.
Sie konnte nicht abstreiten, dass sie sich zu ihm hingezogen fühlte, und überlegte, ob er mit dieser Frage andeuten wollte, auch er brächte ihr tiefere Gefühle entgegen. Der Ton, in dem er gesprochen hatte, kränkte sie jedoch. „Ich wüsste beim besten willen nicht, wie ich es anfangen sollte, Sie zu verführen“, antwortete sie schnippisch.
„Nein? Dann tun Sie es instinktiv und sehr erfolgreich“, sagte er rau, zog sie an sich und küsste sie. Er hatte gewusst, dass sie sich nicht gegen ihn sträuben würde. Willig ging sie auf seine Zärtlichkeiten ein und erwiderte sie hingebungsvoll. Von Leidenschaft überwältigt, schlang er die Arme um sie und drückte sie fester an sich.
Berauscht schmiegte sie sich an ihn, im Ungestüm seiner Küsse schwelgend, schlang ihm die Arme um den Hals und erwiderte seine Liebkosungen mit einer Glut, die sie überraschte.
Nur widerstrebend löste er sich von ihr, hielt sie schwer atmend an sich gepresst und sagte, als er den verstörten Ausdruck in ihren Augen bemerkte: „Hab keine Angst, Antonia. Ich vergehe mich nicht an dir, auch wenn die Versuchung sehr groß ist.“
Antonia war nicht imstande, etwas zu äußern. Das Blut rauschte ihr in den Ohren, und das Herz schlug ihr bis zum Hals. Schweigend schaute sie Philip an und fragte sich errötend, ob er gemerkt habe, wie sehr sie sich nach ihm sehnte. Inständig hoffte sie, das Verlangen, das sie nach ihm hatte, möge sich nicht in ihren Augen ausdrücken.
Um Beherrschung bemüht, nahm er sie bei der Hand und äußerte mahnend: „Wir müssen zurück.“
„Zurück?“, wiederholte sie verwirrt.
„Willst du, dass ich dich noch hier besitze?“
Sie dachte darüber nach, erschrak über ihre Schamlosigkeit und fühlte sich noch mehr erröten. „Nein“, flüsterte sie betroffen.
„Dann reiten wir jetzt nach Haus“, befand er, führte sie zu den Pferden und hob sie in den Sattel ihres Rotfuchses. Geschickt löste er dessen Zügel vom Baum, warf sie ihr zu und band dann den Hengst los. Geschmeidig saß er auf und ritt mit ihr nach Ruthven Manor zurück.
Unfähig, Schlaf zu finden, war Antonia zeitig aufgestanden, hatte der Zofe geläutet und sich das Frühstück bringen lassen. In ein duftiges Déshabillé gehüllt, stärkte sie sich und grübelte über das Erlebnis auf der Lichtung nach. Es war eine Frechheit von Lord Ruthven, ihr vorzuwerfen, sie habe versucht, ihn zu verführen. Gewiss, sie hatte sich bemüht, ihn auf sich aufmerksam zu machen, damit er sie als Gattin in Betracht zog, doch so hinterhältig, ihn verführen zu wollen, war sie nicht.
Der Gedanke allein war lächerlich. Sie war entschieden zu unerfahren, als dass sie es zuwege gebracht hätte, einen Lebemann wie ihn zu verführen. Alles, was in dieser Hinsicht geschehen war, konnte nicht ihr angelastet werden.
Er hatte versucht, sie zu verführen. Der Vorfall beim Teich hatte ihr die Augen geöffnet. Bis dahin war sie durch ihre Gefühle für Philip und das Bemühen, sie zu unterdrücken, abgelenkt gewesen. Nun war ihr klar, dass sie nicht mehr fähig sein würde, sie zu verdrängen. Der Himmel mochte wissen, wie sie es schaffen sollte, sie zu verhehlen.
Sie hätte es nicht
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