Historical Lords & Ladies Band 40
helfen, anstatt mich zu behindern.“
Der Kutschenbegleiter sowie die Passagiere, ausgenommen Helen und Mrs Goodman, hoben den Wagen an. Gleichzeitig trieb der Kutscher die Pferde vorwärts. Halb gezogen, halb geschoben gelangte das Fahrzeug schließlich zum Straßenrand, wo es aufgrund der gebrochenen Achse in Schräglage stehen blieb.
Der Kutscher spannte eines der Führungspferde aus. „Ich werde zur nächsten Station reiten und sehen, ob es dort eine Reservekutsche gibt“, erklärte er.
Den Zurückbleibenden blieb nichts anderes übrig, als zu warten. Der dünne Mann setzte sich in die Kutsche. Robert lief zu einem kleinen Hügel, von dem aus er jedes sich nähernde Fahrzeug beobachten konnte.
Seine Mutter spazierte zusammen mit dem Außenpassagier sowie Mr Hartley, der in ihr eine willige Zuhörerin gefunden hatte, ein Stück die Straße entlang. Helen hüllte sich fester in ihren Mantel und beschloss, sich hinter den Bäumen, die sie umgaben, ein bisschen umzuschauen. Und da Duncan sie nicht aus den Augen lassen wollte, begleitete er sie.
Ein bitterkalter Wind blies ihr den Hut vom Kopf, sodass er nur durch die Bänder auf ihrem Rücken festgehalten wurde. Als sich die Nadeln aus ihren rabenschwarzen Haaren lösten, wehten ihr ein paar Locken ins Gesicht. Ihre Augen leuchteten, ihre Wangen hatten sich rosig gefärbt. Duncan hatte sie nie zuvor so schön, so voller Leben gesehen. Während er neben ihr ging, beobachtete er, wie sie den Kopf zurückbog und zum Himmel emporblickte. Alles, was Helen tat, entzückte ihn. Und doch hegte er Zweifel, sowohl ihre Person wie auch seine Gefühle betreffend. Sie hatte ihn angelogen, und er wusste nicht, warum.
„Ich möchte mich bei Ihnen entschuldigen“, unterbrach sie seine Gedankengänge. „Wegen eines Kartenspiels hätte ich Ihnen keine Vorwürfe machen dürfen. Das war ungehörig von mir.“
„Verschwenden Sie daran keinen Gedanken.“
„Aber ohne mich wären Sie längst zu Hause.“
„Vielleicht“, gab er zu, „doch die Abenteuer, die wir gemeinsam erlebt haben, hätte ich nicht um die Welt missen mögen.“
„Sie sollten mich nicht necken.“
„Es tut mir leid“, sagte er zerknirscht, „aber Sie machen es mir leicht …“
Der Wind war so bitterkalt, dass Helen zitterte. „Wie lange wird der Kutscher wohl wegbleiben?“, fragte sie.
„Nicht allzu lange, hoffe ich“, erwiderte Duncan. „Kehren wir lieber um. Nehmen wir diesen Weg, er ist geschützter.“ Er nahm ihren Arm und führte sie von der Straße weg zu einem schmalen Pfad, der parallel dazu verlief. Hier wehte der Wind nicht so heftig, obwohl sie ihn oben in den Baumgipfeln rauschen hörten.
Helen begriff Duncan nicht. Er spielte den perfekten Begleiter, und obwohl das eigentlich nicht seinen Wünschen entsprach, harrte er an ihrer Seite aus. Aber warum? Fremde in einer Kutsche, darauf hatten sie sich geeinigt. Er hatte ihr gegenüber keine Pflichten, und sie war nicht verpflichtet, ihm dankbar zu sein.
Sie war so in Gedanken versunken, dass sie eine Wurzel auf dem Weg nicht bemerkte und darüber stolperte. Fast ehe sie wusste, wie ihr geschah, fing der Captain sie auf. Während er sie in den Armen hielt, spürte er, dass sie am ganzen Körper bebte wie ein winziger Vogel, der sich in einem Netz gefangen hatte. „Helen“, sagte er mit heiserer Stimme.
Sie hob den Kopf und schaute zu ihm hoch. Der spröde Ausdruck war aus seinem Gesicht verschwunden. Die harte Linie seines Kinns hatte sich gemildert. Er beugte den Kopf und berührte mit den Lippen die ihren, zuerst sanft, dann fordernder.
Irgendetwas in ihrem Inneren rührte sich, ein neues, aufregendes Gefühl, das sich heiß in ihrem ganzen Körper ausbreitete. Sie ließ zu, dass sein Kuss leidenschaftlicher wurde, legte ihm die Arme um den Hals und presste sich enger an ihn.
Wie lange das so weitergegangen wäre, würde sie nie wissen, weil Roberts Stimme sie plötzlich zur Vernunft brachte. „Captain! Miss Sadler! Wo sind Sie?“
Blutrot vor Verlegenheit löste sie sich von ihm und verschwand zwischen den Bäumen.
Duncan schalt sich insgeheim einen Narren. Um sie für sich zu gewinnen, sei es als Geliebte oder als Ehefrau, musste er behutsamer vorgehen. Beides konnte er sich eigentlich nicht vorstellen. Ob Lehrerin oder Gouvernante – sie war keine Ehefrau, die seine Familie akzeptieren würde, und um eine befriedigende Geliebte abzugeben, war sie viel zu jung und unerfahren. War sie die kleine Unschuld oder eine
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