Historical Lords & Ladies Band 40
entsetzt an. „Ich denke schon. Ist gar nichts mehr da?“
Er hasste es, ihr mitteilen zu müssen, dass ihr Vater, um den sie trauerte, ihr Erbe verspielt und große Schulden hinterlassen hatte. Andererseits hatte es keinen Sinn, sie mit Halbwahrheiten und leeren Redensarten abzuspeisen. Sie würde alles erfahren, sobald die Gläubiger Seiner Lordschaft anfingen, an ihre Tür zu klopfen.
„Nur das Geld, das Sie von Ihrer Mutter geerbt haben. Sie stellte sicher, dass er es nicht anrühren konnte.“
„Dann wusste sie also Bescheid?“
„Ich glaube schon.“
„Und trotzdem hat sie ihn geliebt.“
„Ja, und er hat sie ebenfalls geliebt. Sie wissen selbst, wie tief ihr Tod ihn getroffen hat.“
Nachdem ihre Mutter vor vier Jahren gestorben war, hatte sich ihr Vater völlig verändert. Er hatte angefangen, des Nachts wegzubleiben, als ob er es im Haus ohne seine Frau nicht aushalten würde. Doch bis heute hatte Helen nicht geahnt, dass er diese Nächte am Spieltisch verbracht hatte.
Gelegentlich hatte er sich zusammengenommen, sodass sie miteinander gelacht, geplaudert und Pläne gemacht hatten. Im vergangenen Jahr hatten sie beabsichtigt, eine Europareise zu unternehmen, die Helen für die Enttäuschung entschädigen sollte, dass sie keinen Ehemann gefunden hatte.
Als sie im Jahr vor der Erkrankung ihrer Mutter in die Gesellschaft eingeführt worden war, hatte ihr Vater nicht begriffen, weshalb keiner der passenden Junggesellen um sie angehalten hatte. Helen selbst hatte niemanden dazu ermutigt. Sie hatte eine klare Vorstellung von dem Mann, den sie gern geheiratet hätte, wollte nichts Mittelmäßiges akzeptieren und konnte sich in dieser Beziehung auf die Unterstützung durch ihre Mutter verlassen. Und jetzt galt sie mit ihren vierundzwanzig Jahren fast als alte Jungfer. Die gemeinsame Reise war aufgrund einer verfehlten Investition ihres Vaters verschoben worden. Dabei war es um ein Schiff gegangen, das mit der Ladung auf der Rückfahrt vom Orient gesunken war.
„Ich wünschte, er hätte mich über seine finanziellen Verhältnisse informiert“, sagte sie. „Dann wäre ich sparsamer gewesen.“ Ihr Vater hatte sich nie beklagt, wenn sie ihn um ein neues Kleid oder einen Hut gebeten hatte, sondern sie sogar ermutigt, sich ihre Wünsche zu erfüllen. Das Erbe ihrer Mutter, das fest angelegt war, um sie mit einem monatlichen Einkommen zu versorgen, war lediglich ein Taschengeld und genügte nicht, um sich einzukleiden. „Wir könnten einige Dienstboten entlassen …“ Helen machte eine Pause, weil ihr plötzlich ihre katastrophale Lage bewusst wurde. „Ich nehme an, dass alle gehen müssen.“
„Leider ja.“
„Aber Daisy ist seit meiner Kinderzeit bei mir.“
„Es tut mir leid.“
„Und dieses Haus?“
„Muss verkauft werden, um die Schulden Seiner Lordschaft zu bezahlen.“
„Dann werde ich mich in unser Landhaus zurückziehen. Wir sind schon lange nicht mehr dort gewesen. Papa fand es zu zugig und auch zu weit von London und dem gesellschaftlichen Leben entfernt. Er dachte immer noch, ich würde heiraten, wenn wir in der Stadt blieben …“
„Miss Sanghurst“, unterbrach er sie, „das Landhaus wurde bereits im vergangenen Jahr verkauft. Seine Lordschaft hoffte, mit dem Geld seine Gläubiger für einige Monate ruhig halten und die Reise mit Ihnen bezahlen zu können. Leider war er zu optimistisch.“
Helen nahm diesen neuerlichen Schlag erstaunlich gelassen auf. „Dann werde ich mir eine Stellung suchen müssen – als Lehrerin oder Gesellschafterin …“ Eines schien ihr so schlimm wie das andere zu sein, doch wenn sie sich ihren Lebensunterhalt verdienen musste, durfte sie nicht wählerisch sein.
„Da ist noch etwas, das ich nicht erwähnt habe“, sagte der Anwalt. „Seine Lordschaft hat einen Vormund für Sie bestellt.“
„Einen Vormund?“
Er lächelte. „Jede junge Dame, die beide Eltern verloren hat, braucht jemanden, der ihr seinen Schutz bietet. Ihr Vater hat diese Vorsorge schon vor einiger Zeit getroffen.“
„Und wer ist es?“ Helen hatte sich längst mit der Tatsache abgefunden, dass sie keine Verwandten hatte und für sich selbst sorgen musste, auch wenn ihr erst jetzt klar geworden war, dass sie nicht nur allein, sondern auch so gut wie mittellos war.
„Der Earl of Strathrowan.“
„Der Name ist mir unbekannt.“
„Ich glaube, er war ein guter Freund Ihres Vaters, als die beiden in Indien Dienst taten. Zu jener Zeit waren Sie noch ein Kind,
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