Historical Lords & Ladies Band 40
und ging nach unten, um ein letztes Mal Anweisungen für das Dinner zu geben. Am nächsten Tag würden alle Dienstboten das Haus verlassen. Nur ihre Zofe Daisy, die mehr Freundin als Dienerin war, würde so lange bleiben wie sie selbst. Helen hätte sie gern mitgenommen, wollte aber ihren neuen Vormund um keinen Gefallen bitten.
Das ohnehin unangenehme Warten wurde durch die Tatsache erschwert, dass außer den Gläubigern ihres Vaters mit ihren Forderungen und ein paar neugierigen Wichtigtuern, die auf ein wenig Klatsch zum Verbreiten hofften, niemand Helen besuchte. Da war es schon besser, sich verleugnen zu lassen.
Ihre einzige Ablenkung bestand darin, im Park spazieren zu gehen und die Bücher ihres Vaters zu sortieren. Er besaß eine umfangreiche Sammlung militärischer Werke und eine Anzahl von alten Landkarten, die einen guten Preis erzielen würden. Das Geld für die Bücher, das Silber sowie das Porzellan, die Pferde und die Kutsche waren dazu bestimmt, Schulden zu bezahlen. Das Haus würde mitsamt der Einrichtung verkauft werden. Helen besaß nur noch ihre Kleider und etwas Schmuck, den sie von ihrer Mutter geerbt hatte. Unwillkürlich fragte sie sich, ob sie einiges davon auch noch opfern musste.
„Nein, von Ihnen persönlich verlangt niemand Geld“, versicherte ihr der Anwalt ein paar Tage später. Eigentlich gab es keinen Grund für seinen Besuch, er wusste nichts Neues zu berichten. Ihm war lediglich klar geworden, wie einsam sie sich in dem großen Haus fühlen musste, und er wollte ihr zeigen, dass sie zumindest noch einen Freund besaß. „Ihr privates Eigentum – Kleider, Bücher und Juwelen – gehört nach wie vor Ihnen. Wenn Sie diese Dinge verkaufen wollen, ist das Ihre Angelegenheit und hat nichts mit Ihrem Vater zu tun.“
„Weshalb sollte ich wohl Kleider und Schmuckstücke behalten, die ich wahrscheinlich niemals mehr tragen werde“, erwiderte Helen. „Ich muss mich meinem neuen Status anpassen.“
„Ihr Status ist noch der gleiche. Sie sind nach wie vor eine wohlerzogene und gebildete junge Dame von Stand.“
„Haben Sie etwas von Lord Strathrowan gehört?“, fragte sie.
„Leider nein. Aber nach Schottland und zurück ist es weit, und auf die Post kann man sich nicht immer verlassen.“
„Möglicherweise hat er Ihren Brief gar nicht erhalten. Er könnte nach Indien zu seinem Regiment zurückgekehrt sein. Vielleicht will er ja auch nach dem, was geschehen ist, nichts mit mir zu tun haben.“
„Es hat keinen Sinn, wenn Sie sich unnötig den Kopf zerbrechen“, sagte er. „Warten wir ab, was kommt.“
Es dauerte fast einen Monat, bis der Anwalt eine Antwort erhielt. Zu diesem Zeitpunkt bestürmten ihn die neuen Eigentümer bereits ungeduldig mit Fragen, wann Miss Sanghurst das Haus endlich räumen würde. Jetzt konnte er sie beruhigen, dass das sofort der Fall sei. Der Earl hatte in einem knappen Schreiben eingewilligt, Helen aufzunehmen, allerdings kein Geld für die Reise beigefügt oder für einen Begleiter gesorgt.
„Wie komme ich dorthin?“, fragte Helen. „Pferde und Wagen sind bereits verkauft. Ich werde wohl die öffentliche Kutsche benutzen müssen.“
„Die Postkutsche ist bequemer und schneller. Außerdem ist die Zahl der Insassen begrenzt.“
„Ich habe es nicht eilig“, erklärte sie lächelnd. „Und ich denke weniger an die Bequemlichkeit als an meine knappen Mittel. Nein, die öffentliche Kutsche muss genügen.“
„Dann werde ich mich bemühen, ein älteres Paar oder eine Matrone für Sie als Begleitung zu finden.“
„Mr Benstead, mit vierundzwanzig brauche ich keine Anstandsdame. Die verwöhnte Tochter Lord Sanghursts gibt es nicht mehr. Ich muss mich außerhalb der Welt, in der ich aufgewachsen bin, selbst zurechtfinden.“
„Sie wissen nichts von den Risiken.“
„Dann muss ich eben aus meinen Fehlern lernen. Bitte verschwenden Sie meinetwegen keine weiteren Gedanken, Mr Benstead.“
„Es ist meine Pflicht, dafür zu sorgen, dass Sie Ihr Ziel sicher erreichen.“
„Mr Benstead, Sie haben unter diesen Umständen mehr als nur Ihre Pflicht getan. Ich nehme an, dass Sie auf Ihr Honorar verzichtet haben.“
Der Anwalt, der das weder bestätigte noch verneinte, lächelte. „Dann kann ich Ihnen nur noch eine gute Reise wünschen. Bitte schreiben Sie mir, sobald Sie angekommen sind.“ Das klang schrecklich förmlich, doch er musste seine Würde bewahren, weil er sie sonst wie ein Kind in die Arme genommen und ihr versichert
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