Historical My Lady Spezial Band 1 (German Edition)
Verlockung zu widerstehen.
„Wollen wir draußen ein wenig frische Luft schöpfen?“, schlug er vor, und ohne auf ihre Antwort zu warten, nahm er Grace am Ellbogen und führte sie zu der Tür, die auf die Terrasse und in den Garten dahinter führte. Es war ein recht warmer Abend nach einem trüben, nebligen Tag, wie er für London so charakteristisch war.
Bevor Grace es sich versah, stand sie mit Lord Lucian allein auf der Terrasse, obwohl dies das Letzte war, was sie heute Abend beabsichtigt hatte. Andererseits konnte man hier wirklich leichter atmen als im stickigen Ballsaal, wenn sie auch nicht die Absicht hatte, das ihm gegenüber zuzugeben.
„Kommt Ihre Schwester heute Abend, Mylord?“ Sie fächelte sich gelassen Luft zu, den Blick mit vorgetäuschtem Interesse auf Lady Humbers’ hübsche Blumenbeete gerichtet.
Sie musste dieses Interesse heucheln, denn zu ihrem Leidwesen war sie seit Lord Lucians Ankunft nicht in der Lage gewesen, sich auf irgendetwas oder irgendjemanden außer ihm zu konzentrieren – auf sein dunkles, modisch zerzaustes Haar, die schwarze Abendkleidung, die alles andere als geeignet war, seine kraftvollen Schultern, die breite Brust, die kräftigen Schenkel und langen Beine zu kaschieren.
Und ihre Gedanken waren nicht die Gedanken einer wohlerzogenen, unschuldigen jungen Dame!
Nicht dass sie die einzige Frau heute Abend war, die Lord Lucian bemerkte, wie sie zu ihrem Ärger hatte feststellen müssen. Damen jeden Alters, wie es schien, hatten sich anerkennend zu ihm umgedreht, als er den Ballsaal mit der ihm eigenen Eleganz und Entschlossenheit durchquert hatte, um zu ihr zu gehen. Einige dieser Damen hatten, selbst als er sie erreicht hatte, nicht den Blick von ihm genommen und ihre eigenen Gespräche eher geistesabwesend weitergeführt.
„Arabella? Nein, ich glaube, sie ist zu einer musikalischen Soiree bei der Countess of Morefield geladen.“
Die Überraschung in seiner Stimme verriet Grace, dass er noch nichts von ihrer Begegnung mit Arabella wusste. „Ihre Schwester und Tante waren so freundlich, mir und meiner Tante gestern Morgen einen Besuch abzustatten.“
„Ah.“
Sie schenkte ihm ein unaufrichtiges Lächeln. „Ich fand sie reizend und wunderschön.“
„Ja, Arabella ist beides“, stimmte Lucian trocken zu, aber insgeheim wünschte er sich, dass seine liebe Schwester sich nicht überall einmischen würde.
Wie er schon geahnt hatte, war seine Familie sehr erfreut über seine Verlobung. Dass keiner von ihnen Grace je zu Gesicht bekommen hatte, schien sie nicht weiter zu bekümmern. Hauptsache, er hatte sich endlich zur Ehe entschlossen, und seine Auserwählte war nicht völlig unpassend. Und als Mündel eines Dukes war Grace natürlich alles andere als unpassend. Trotzdem hätte er ahnen müssen, dass Arabella, die neugierige kleine Hexe, nicht zögern würde, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen und ihre neue Schwägerin so bald wie möglich in Augenschein zu nehmen.
Und Grace war mindestens ebenso sehr eine kleine Hexe wie seine Schwester.
„Ich dachte, wir reden über Ihren Vater.“
„Wirklich?“ Wieder warf sie ihm einen gleichgültigen Blick zu. „Ich dachte, das Gespräch läge schon hinter uns, Mylord.“
Seine Erfahrung mit Frauen sagte Lucian, dass Grace noch immer böse auf ihn war und ihre Wut nur sehr unzulänglich hinter einer Maske der Höflichkeit zu verbergen suchte. Doch er hatte keine Geduld mit dieser Maske. Er zog die Grace, die ihm bei ihrem letzten Treffen mit erfrischender Offenheit die Meinung gesagt hatte, bei Weitem vor.
Ein gereizter Seufzer entfuhr ihm. „Wenn Sie mir etwas mitteilen wollen, Grace, dann wünschte ich, Sie würden es tun!“
„Es war heute viel zu heiß für diese Jahreszeit, nicht wahr?“, meinte sie leichthin. „Ich muss gestehen, trotz meines Sonnenschirms war ich ganz erschöpft von der Hitze, als meine Tante und ich heute Nachmittag im Park spazieren gingen.“
Finster hörte Lucian ihrem Geplapper zu, wohl wissend, dass Grace sonst nicht zu solchem Unsinn neigte. „Ich habe ebenso wenig das Bedürfnis, über das Wetter zu reden, wie Sie.“
„Nein?“ Sie behielt ihre kühle Weise bei, die ihn bis aufs Äußerste reizte. „Dann reden wir vielleicht über die Gesundheit Ihrer Familie?“
„Nein.“
„Die Gesundheit meiner Familie?“
„Nein! Für den Augenblick jedenfalls nicht.“
Sie schüttelte resigniert den Kopf. „Vielleicht möchten Sie ein Thema für unsere Unterhaltung
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