Historical My Lady Spezial Band 1 (German Edition)
Sie warnen und Ihnen raten, vorsichtig zu sein, wenn es um Francis Wynter geht.“
„Dürfte ich Sie daran erinnern, Lord Lucian, dass ich nicht Ihre Frau bin?“
Gegen seinen Willen musste er lächeln. Was für ein Hitzkopf sie doch war! So zierlich, so liebreizend und doch mit einem eisernen Willen – fast so eisern wie sein eigener.
„Meine liebe Grace, ich zähle die Stunden, bis Sie es werden“, sagte er leise und lachte heiser, als sie ihn misstrauisch ansah. „Für den Augenblick werde ich mich mit einem Kuss zufriedengeben.“
„Ich werde Sie nicht …“ Doch Lord Lucian unterbrach ihren Protest, indem er sie kurzerhand an sich riss und den Mund auf ihre Lippen presste.
Grace war sicher, dass er sie nicht einmal als ihr Verlobter auf diese Weise küssen durfte – so leidenschaftlich, so intim. Fest drückte er sie an sich, während das Spiel seiner Zunge so erregend wurde, dass sie sich ganz atemlos an seine breiten Schultern klammerte. Die Knöpfe von Lord Lucians Gehrock rieben sich an ihren Brüsten, und das Lustgefühl, das sie dabei durchlief, die plötzliche Hitze zwischen ihren Schenkeln, schockierte sie über alle Maßen.
Röte stieg ihr in die Wangen, ihre Augen glänzten wie im Fieber, als Lord Lucian schließlich den Kopf hob und sie ansah, unverhohlene Zufriedenheit in den faszinierenden dunklen Augen.
„Ich werde die Stunden zählen bis zu meiner Rückkehr“, flüsterte er. „Nein, zerstöre den Moment nicht mit einer deiner üblichen bissigen Bemerkungen, Grace“, fügte er amüsiert hinzu, trat einen Schritt zurück und gab ihr einen verspielten Klaps auf die Nase. „Es wird so viel angenehmer sein, eine erfreuliche Erinnerung an dich mit auf den Weg zu nehmen.“
Grace glaubte nicht, dass sie in diesem Moment in der Lage wäre, eine jener bissigen Bemerkungen zu machen. Tatsächlich traute sie sich nicht zu, überhaupt etwas zu sagen. Wirklich, dieser Mann und sein Kuss hatten ihr vollkommen die Sprache geraubt!
Andererseits sollte Lord Lucian nicht denken, dass sie jetzt zugänglicher war für die Möglichkeit einer Verlobung. „Es ist Ihnen lieber, an eine Illusion zu glauben, als die Wahrheit zu kennen?“, fragte sie schnippisch.
Er lächelte, ohne wirklich amüsiert zu sein. „Mein ganzes Leben ist eine Illusion, habe ich feststellen müssen. Eine mehr macht also keinen Unterschied.“ Er verbeugte sich knapp vor ihr. „Am besten gehe ich jetzt, Grace, bevor wir wieder zu streiten anfangen.“ Und damit wandte er sich ab und ließ sie einfach stehen.
Aufgewühlt sah sie ihm nach, wie er auf den hinteren Teil der Herberge zuschritt, wo die Stallungen waren. Lord Lucian St Claire, das wurde ihr allmählich klar, war ein zwiespältiger Mann. Dass er um sie angehalten hatte, zeigte, dass er Ehre und Freundschaft höher schätzte als sein eigenes Glück. Und doch hatten seine Worte von eben erahnen lassen, dass er von der Welt und den Menschen zutiefst enttäuscht worden war. Diese Enttäuschung verbarg er allerdings hinter der Fassade eines höflichen, aber gelangweilten Menschen. Hinter dieser Fassade verbarg er zweifellos auch den Schrecken der Kriegsjahre, der sich stattdessen in seinen Albträumen zeigte, wie Grace gestern Nacht miterlebt hatte.
Hielt Lord Lucian sich von seiner Familie fern, damit sie niemals Zeuge dieser Albträume wurde?
Diese völlig unerwartete Verletzlichkeit bei einem Mann, der nach außen hin so selbstbewusst und beherrscht wirkte, vielleicht sogar gefühllos – machte sie Lucian zu einem Menschen, in den man sich nur allzu leicht verlieben könnte?
Guter Gott, hoffentlich nicht, dachte Grace erschrocken.
6. KAPITEL
L ucian saß in einem Sessel vor dem kalten Kamin in seinem Klub, die Ellbogen aufgestützt, die Finger aneinandergelegt, während er blicklos vor sich hin starrte. Er achtete nicht auf seine Umgebung oder darauf, wer kam und wer ging – zweifellos andere Männer, die wie er hier Zuflucht suchten vor ihren anspruchsvollen Frauen.
Seit zwei Tagen war Lucian bereits wieder in der Stadt. Er hatte seine Schwester Arabella und ihre Tante Lady Hammond am Stadthaus der St Claires abgesetzt und sich verabschiedet, um in seiner eigenen Wohnung in Mayfair unterzukommen.
Er zögerte das Unvermeidliche lediglich hinaus und wusste natürlich, dass er sich schon längst bei der Frau hätte melden müssen, mit der er seit neun Tagen verlobt war. Die Verlobung war schon vor einer Woche in den Zeitungen bekannt gemacht worden.
Weitere Kostenlose Bücher