Historical My Lady Spezial Band 1 (German Edition)
mich jetzt besser wieder ein wenig hin.“
Vorhin war Lucian davon überzeugt gewesen, dass die Duchess ihre Nichte in Schutz nahm und die Kopfschmerzen nur eine Ausrede waren. Jetzt sah er allerdings, wie blass Grace war und welche dunklen Schatten unter ihren Augen lagen. „Ich hätte dich nicht stören dürfen, wenn es dir nicht gut geht. Bitte entschuldige …“
„Zwei Entschuldigungen an einem Nachmittag, Mylord?“ Sie lächelte schwach. „Diese uncharakteristische Demut kann nur bedeuten, dass Sie schon bald einen Rückfall erleiden werden.“
Lucian erwiderte ihr Lächeln ironisch. Der Moment der Intimität schien nie existiert zu haben. Und für Grace hatte es ihn ja vielleicht gar nicht gegeben. „Wie ich sehe, stehen wir wieder auf Kriegsfuß miteinander.“
Sie zuckte die Achseln. „Mir wäre nicht bewusst, dass das je anders gewesen wäre.“
„Vielleicht hast du recht.“ Er verbeugte sich steif. „Mit deiner Erlaubnis werde ich morgen wieder vorsprechen und hoffe, dass es dir bis dahin besser gehen wird.“
„Sie brauchen nicht ganz so aufmerksam zu sein, Mylord. Einer Ihrer Diener kann doch kommen und Ihnen Mitteilung machen, wenn Sie wirklich meinen, Sie müssten Ihr Interesse bezeugen.“
Er war bereits an der Tür und wandte sich noch einmal um, die Miene ernst, der Blick abweisend. „Deine Tante und dein Onkel werden ein etwas persönlicheres Interesse von mir erwarten.“
Selbstverständlich, dachte Grace bedrückt. Das stimmte sicher. Der Anstand verlangte es, dass er seiner Verlobten gegenüber aufmerksam war. Wie dumm von ihr, wie naiv, zu glauben, Lucian hätte tatsächlich den Wunsch verspürt, morgen nach ihrem Befinden zu fragen, um bei ihr sein zu können.
Sie neigte anmutig den Kopf. „Sie müssen natürlich tun, was Sie für richtig halten, Mylord.“
„Muss ich das, Grace?“, fragte er knapp.
Sie spürte, dass er ihr mit seiner Antwort etwas sagen wollte, doch schon fuhr er fort: „Jedenfalls scheinst du es immer noch nicht für richtig zu halten, mich zu duzen. Du bestehst darauf, Abstand zu halten.“
Sie presste die Lippen zusammen.
„Schon gut.“ Seine Miene spiegelte auf einmal nichts als tiefe Langeweile wider. „Ich werde dich jetzt ausruhen lassen.“ Gleich darauf hatte er die Tür hinter sich geschlossen.
Grace saß regungslos da, nachdem Lucian gegangen war. Ein seltsam aufwühlendes Gefühl überkam sie, ihr war, als hätte sie Fieber. Ihre Lippen bebten leicht, und ihr Blick blieb unverwandt auf die geschlossene Tür gerichtet.
Konnte es sein? Hatte sie sich womöglich gegen ihren Willen und gegen jede Vernunft in Lord Lucian St Claire verliebt?
10. KAPITEL
E ine Miss Hetherington wünscht Sie zu sehen, Mylord.“ Reeves, sein ältlicher Butler, stand steif an der Tür zur Bibliothek, wo Lucian vor dem Kamin saß und vor dem Zubettgehen ein Glas Brandy genoss. „Miss Grace Hetherington.“
Lucian brauchte den Zusatz des Vornamens nicht. Er kannte nur eine Miss Hetherington. Und die sollte auf keinen Fall um fast elf Uhr abends bei ihm zu Hause vorsprechen! Als unverheiratete junge Dame, selbst wenn sie mit ihm verlobt war, durfte Grace eigentlich zu keiner Stunde allein bei ihm erscheinen!
„Was zum Teufel …“ Er setzte sich abrupt in seinem Sessel auf. „Ich nehme an, sie ist nicht allein?“
„Nein, Mylord, eine Zofe begleitet sie.“ Reeves’ steife Haltung spiegelte deutlich seine Missbilligung wider.
Und nur zu Recht, musste Lucian insgeheim zustimmen. Grace handelte völlig unangemessen, indem sie einen unverheirateten Gentleman besuchte, ob die Zofe nun dabei war oder nicht.
„Miss Hetherington scheint recht … bewegt zu sein, Mylord“, fügte Reeves mit etwas sanfterer Stimme hinzu.
Lucian runzelte misstrauisch die Stirn. „Inwiefern?“ Wenn Grace sich irgendetwas Albernes hatte einfallen lassen und es ihm ausgerechnet um diese Stunde mitteilen wollte, dann würde er sie höchstpersönlich übers Knie legen und …
„Miss Hetherington scheint … geweint zu haben, Mylord“, erklärte ihm Reeves leise.
Geweint? Grace? Grace, die sich immer so forsch gab, als könnte sie nichts einschüchtern, hatte geweint? Wer hatte es gewagt, sie so zu betrüben, dass sie weinen musste? Er erhob sich abrupt.
„Lucian!“ Grace, die es scheinbar nicht ausgehalten hatte, noch länger zu warten, stand an der Tür gleich hinter Reeves. Sie war offensichtlich verstört, das Haar war zerzaust, die Wangen tatsächlich
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