Historical My Lady Spezial Band 1 (German Edition)
entgegengebracht hatte. Doch sie musste akzeptieren, dass er Pflichten hatte, die seine Zeit beanspruchten. Und gewiss gehörte doch wohl die Geburt seines Neffen dazu?
„Was verheimlichst du mir?“, fragte sie, plötzlich wieder misstrauisch.
Er hob die Augenbrauen. „Du kannst also nicht glauben, dass es mir einfach nur zuwider wäre, von dir getrennt zu sein?“
„Irgendetwas verschweigst du mir, Lucian“, beharrte sie.
Zum Henker. Hatte es je eine so herausfordernde Frau gegeben? So dickköpfig. So anbetungswürdig …
Er verneigte sich knapp. „Wenn du mich entschuldigen möchtest, meine Liebe, werde ich deine Tante bitten, euch beide zum Dower House begleiten zu dürfen.“
Gewiss war es eher ein ungewöhnliches Arrangement, dass ein Junggeselle unter einem Dach mit zwei alleinstehenden Damen lebte. Aber wenn eine dieser Damen seine Verlobte war, konnte man es vielleicht billigen. In jedem Fall ging es nicht anders, da Grace sich weigerte, ihn nach Mulberry Hall zu begleiten.
Sie verzog den Mund zu einem spöttischen Lächeln. „Ihre Antwort auf deine Bitte dürfte dir keine Kopfschmerzen bereiten. Meine Tante vergöttert dich.“
Seine Miene wurde weich. „Ihre Zuneigung wird von ganzem Herzen erwidert.“
Das glaubte sie ihm gern. Sie wüsste nur ebenso gern, welche Gefühle er ihr, Grace, entgegenbrachte. Abgesehen von der Tatsache, dass er sie zu verführen wünschte. Daran hatte er nun wirklich keinen Zweifel gelassen!
„Jetzt muss ich aber gehen. Ich muss unter anderem meinem Bruder schreiben.“
„Unsere Unterhaltung ist noch nicht beendet.“
„Für den Augenblick schon.“ Er durchquerte den Raum mit langen Schritten und blieb an der Tür kurz stehen. „Es wäre mir lieber, du würdest mit niemandem darüber reden.“
„Ich bin keine Klatschbase“, sagte sie empört.
Er lächelte kühl. „Schön zu hören. Inzwischen bin ich ja schon für kleine Dinge dankbar“, war seine letzte sarkastische Bemerkung, bevor er den Raum verließ.
Verstimmt sah sie ihm nach, vollkommen sicher, dass er etwas verheimlichte.
Allerdings würde sie das nicht davon abhalten, die Wahrheit selbst herauszufinden …
15. KAPITEL
Z u Graces Überraschung – und auch zu Lucians, da war sie sicher – traf nur drei Tage später Lord Sebastian St Claire im Dower House ein. Er befand sich auf der Rückreise nach London nach einem Besuch auf Mulberry Hall, wo er seinen neuen Neffen in der Familie willkommen geheißen hatte. Wie er behauptete, war er gekommen, um der Duchess sein verspätetes Beileid auszusprechen.
Grace war es gleichgültig, ob Lord Sebastian die Wahrheit sagte, sie empfand nur große Dankbarkeit, weil sein verschmitztes Lächeln und sein trockener Sinn für Humor die Stimmung ihrer Tante hob und damit auch ihre eigene. Lucian war in den letzten drei Tagen entschieden kurz angebunden gewesen. Und da sich keine Gelegenheit gefunden hatte, wieder allein mit ihm zu sprechen – sie vermutete, dass er ihr wieder einmal aus dem Weg ging –, bot ihr die Ankunft seines jüngeren Bruders eine willkommene Ablenkung.
Seine begeisterte Beschreibung des kleinen Marquess of Mulberry, eines neuen Lebens, war genau, was die Duchess brauchte, um wieder Farbe in die Wangen zu bekommen. Zum ersten Mal nach so vielen Tagen der tiefsten Verzweiflung erschien wieder ein freudiges Leuchten in ihren Augen.
Der spöttische Blick, mit dem Lucian seinen Bruder bedachte, bestätigte Graces Vermutung, dass Lord Sebastian sich für gewöhnlich nicht besonders für Neugeborene interessierte. Aber immerhin handelte es sich um seinen eigenen Neffen!
Kaum hatte die Duchess sich auf ihr Zimmer zurückgezogen, sprach Lucian seinen Bruder darauf an. „Seit wann hast du so eine Vorliebe für Säuglinge?“, scherzte er und lehnte sich lässig an den Kaminsims.
Sebastian lümmelte ungeniert in einem der Armsessel. „Hawk nimmt es dir äußerst übel, dass du noch nicht gekommen bist, um den Kleinen zu bewundern!“
„Ich habe ihm in einem Brief meine Gründe genannt.“
Sein Bruder schnaubte spöttisch. „Nach Hawks Miene zu schließen, als er deinen Brief las, können diese Gründe nicht besonders überzeugend gewesen sein.“
Nein, das waren sie wohl auch nicht. Aber er hatte Darius sein Wort gegeben. „Meine Abwesenheit wird kaum auffallen. Ich stelle mir vor, dass um die Wiege des Kleinen großes Gedränge geherrscht haben muss.“
Sebastian nickte düster. „Arabella und Tante Agatha sind gestern
Weitere Kostenlose Bücher