Historical My Lady Spezial Band 1 (German Edition)
wissen durfte. Es war schon schlimm genug, dass er sie für eine Diebin und Lügnerin hielt. Da wollte sie der langen Reihe ihrer Fehler nicht auch noch eine illegitime Geburt hinzufügen. „Lady Sulby war mit meiner Mutter bekannt“, fuhr sie vorsichtig fort. „Sie sagte mir, sie mochte sie nicht und war nicht einverstanden damit, dass Sir Barnaby die Vormundschaft für mich übernahm.“ Plötzlich erblasste sie, als ihr ein fürchterlicher Gedanke kam – womöglich die Wahrheit? –, der sie traf wie ein Schlag ins Gesicht.
Die Briefe ihrer Mutter an ihren Geliebten bestätigten Lady Sulbys Behauptung, dass dieser ein verheirateter Mann gewesen war.
Vor dreiundzwanzig Jahren war Sir Barnaby bereits seit zwei Jahren mit Lady Sulby verheiratet gewesen. Lady Sulby hasste und verabscheute Jane nach ihren eigenen Worten fast so sehr, wie sie deren Mutter gehasst hatte.
Konnte es sein, dass Sir Barnaby jener Liebhaber gewesen war? Bin ich seine uneheliche Tochter?
Es würde so vieles erklären – vor allem, dass ein Mann zu ihrem Vormund ernannt worden war, den ihr Ziehvater kein einziges Mal erwähnt hatte und dem sie nie begegnet war, bevor er sie an jenem trostlosen Tag vor zwölf Jahren in Somerset abgeholt hatte.
War es möglich, dass ihre verzweifelte Flucht, ihre Suche nach ihrem Vater, völlig unnötig war? Dass sie schon die ganze Zeit in seiner Nähe gelebt hatte?
Allerdings fiel es ihr schwer, sich den rundlichen Sir Barnaby als aufregenden Geliebten vorzustellen, der das Herz ihrer Mutter vor so vielen Jahren im Sturm erobert haben sollte und den ihre Mutter mit den schmeichelhaftesten Worten beschrieben hatte. Wie oft hatte sie ihrem Wunsch Ausdruck gegeben, ihr ungeborenes Kind möge ihm ähneln.
Vor dreiundzwanzig Jahren hatte Sir Barnaby jedoch gewiss ganz anders ausgesehen …
„Jane?“
Sie blinzelte wie betäubt, bevor sie den Blick wieder auf Hawk konzentrierte – oder vielmehr auf den anklagenden Duke of Stourbridge. „Ich werde Mulberry Hall unverzüglich verlassen.“
„Nein, das werden Sie nicht!“, widersprach er ihr heftig, gereizt über ihr langes Schweigen. Was konnte jetzt wichtiger für sie sein, als über ihre ernste Lage nachzudenken?
Sosehr sie selbst die Sache auch herunterspielen mochte, die Lage war sogar sehr ernst. Man hatte sie des Diebstahls beschuldigt, ihre Festnahme war befohlen, und ihre Beteuerung, sie sei unschuldig, würde nicht ausreichen, um diesen Befehl aufzuheben.
Andererseits besaß er als der Duke of Stourbridge einen gewissen Einfluss. „Ich bin bereit, Ihnen zu helfen, Jane …“
„Wie ich schon sagte: Ich erinnere mich nicht, Sie um Ihre Hilfe gebeten zu haben, Euer Gnaden“, fuhr sie ihm hitzig ins Wort.
Nachdenklich musterte er sie. Erkannte sie wirklich nicht, wie ernst es um sie stand?
„Und auch jetzt bitte ich Sie nicht darum.“ Sie versuchte, sich aus seinem Griff zu befreien. „Lassen Sie mich los, Sir“, befahl sie mit kalter Stimme, als ihr das nicht gelang.
Er schüttelte nur ungeduldig den Kopf. „Sollten Sie Mulberry Hall ohne meinen Schutz verlassen, werden Sie sofort unter Arrest gestellt und eingesperrt.“
„Ich gehe das Risiko ein.“
Der bloße Gedanke, Jane könnte in eine Zelle geworfen werden, der Kälte, den Ratten und der Willkür eines Wärters ausgesetzt, ließ Hawk schaudern. Sie würde lieber all das erleiden, statt seine Hilfe anzunehmen?
Er ließ sie los. „Dann sind Sie eine Närrin, Jane!“
„Alles ist mir lieber, als weiter unter demselben Dach mit dem Duke of Stourbridge leben zu müssen!“
Hawk zuckte zusammen wie unter einem Schlag. Empfand sie wirklich so? Verachtete sie ihn so sehr? Hasste sie ihn so sehr, dass sie selbst eine Gefängniszelle in Kauf nahm, um seiner Nähe entkommen zu können?
Mühsam unterdrückte er das Gefühl der Verzweiflung, das ihm die Kehle zuschnürte. Jetzt ging es nicht um ihn, sondern um Janes Sicherheit. Er atmete tief ein, bevor er wieder das Wort ergriff. „Jane, ich rate Ihnen, Ihren Hass auf mich zu vergessen und sich auf Ihr Problem zu konzentrieren. Ich kann mich bei Sir Barnaby für Sie einsetzen. Zum Glück ist er ein freundlicher, vernünftiger Mann, und ich bin sicher …“
„Nein!“ Jane schüttelte heftig den Kopf. „Ich werde selbst mit ihm reden, sobald ich wieder in Markham Park bin.“
„Sie wollen dorthin zurückkehren?“
Jane hatte sich tatsächlich dazu entschlossen. Bisher hatte sie geglaubt, die Antworten auf ihre
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