Historical Platin Band 04
Wohlwollen bekundete. Verdutzt schaute sie ihn an. Hochgewachsen und von imposanter Gestalt, sah er in seiner Rüstung wie einer der Giganten aus, von denen Mellisynt in der Kindheit aus alten Sagen erfahren hatte. Auch wenn sie überall in der Bretagne gesucht hätte, wäre es ihr nicht möglich gewesen, einen Chevalier zu finden, der sich krasser von ihrem ersten, spindeldürren und altersschwachen Gemahl unterschied. Der Gedanke verursachte ihr ein eigentümliches Prickeln, und verwirrt überlegte sie, ob er der Angst vor dem robusten Ritter oder der Freude darüber entsprang, dass er bald ihr Gatte sein werde.
„Kommt, ich begleite Euch in das Unterholz“, sagte er und hielt ihr die Hand hin.
„Nein, Monsieur, das ist nicht erforderlich!“, entgegnete sie bestürzt und ließ sich von ihm aufhelfen.
„Falsche Scham ist zwischen uns nicht angebracht, Madame“, erwiderte er barsch.
„Noch sind wir einander nicht angetraut“, sagte sie hartnäckig. „Ich ersuche Euch, mich allein gehen zu lassen.“ Entschlossen hielt sie in stummem Kräftemessen dem Blick des Sieur stand.
Er näherte sich ihr einen Schritt und hielt jäh inne, da hinter ihm ein Warnruf zu hören war. Nur einen Herzschlag später vernahm er den Befehl, nicht zu den Waffen zu greifen und sich zu ergeben, da die Aue umzingelt sei. Hastig griff er nach dem Schwert, drehte sich rasch um und zog vom Leder.
Er hatte eine solche Behendigkeit bewiesen, dass Mellisynt überrascht zurückwich und sich, da ihr die Beine den Dienst zu versagen drohten, nur mit größter Willenskraft aufrecht halten konnte.
„ Parbleu! “, fluchte er, wandte sich halb zu ihr um, ergriff sie bei der Hand und zerrte sie hinter sich.
Am entfernten Ende der Lichtung erschienen aus dem Gehölz mehrere Fußsoldaten, die Armbrüste schussbereit gespannt, und ein Reiter. Das Licht der Morgensonne schimmerte auf seinem mit einem silbernen Schwan auf goldenem Grund verzierten Helm, dem Schild und dem moosgrünen Waffenrock, die mit demselben Wappen geschmückt waren.
„Ich habe nichts Arges im Sinn“, verkündete Roger. „Überlasst mir die Dame. Dann könnt Ihr unbehelligt von dannen ziehen.“
Ihr schlug das Herz bis zum Hals, und unwillkürlich krampfte sie die Finger um den Eisenhandschuh des Verlobten. Unvermittelt vernahm sie hinter sich das Scheppern von Rüstungen und drehte hastig den Kopf um. Noch mehr feindliches Fußvolk, die Waffen zum Angriff gezogen, scharte sich um den Anführer.
„Ich strecke vor niemandem die Waffen“, entgegnete Richard selbstbewusst.
„Dann werde ich mir Madame mit Gewalt holen“, erwiderte Roger kalt.
Beklommen schaute sie Messire Edgemoor an. Er hatte die Augen verengt, die Lippen zusammengepresst und lächelte verächtlich.
„Sie gehört mir“, sagte er fest. „Und was mein ist, bewahre ich mir.“
„Ihr werdet weder sie noch die Veste Trémont lange Euer eigen nennen“, rief Roger ihm zu. „Seine königliche Hoheit, Prinz Richard, Duc de l’Aquitaine und Comte du Poitou, hat mich beauftragt, mich in seinem Namen ihrer und ihres Wittums zu bemächtigen.“
Richard winkte den Knappen zu sich und trug ihm auf: „Geleite Madame de Trémont zu den Pferden, damit sie außer Gefahr ist, und gib gut auf sie acht.“
Barthélemy verbeugte sich und brachte die Herrin in Sicherheit.
In ihre Angst mischte sich mehr und mehr Verärgerung darüber, dass sie wie ein Spielball behandelt wurde. Betroffen blieb sie stehen und wandte sich dem Verlobten zu, um mitzuerleben, wie man über ihr weiteres Los entschied.
Roger trat dem Zelter in die Weichen, ritt weiter auf die Aue und hielt kurz vor dem Bach an. Herausfordernd blickte er Monsieur d’Edgemoor an und äußerte warnend: „Meine Söldner haben die Lichtung umstellt. Wir sind Euch an Zahl weit überlegen, Sieur. Überlasst Madame unverzüglich mir, und zieht dann Eures Weges.“
„Sie ist mir versprochen, Monsieur de Beauchamps“, erwiderte Richard gelassen. „Um mir zu entreißen, was vor Gott und der Welt mein Eigen ist, bedarf es nicht nur einer armseligen Schar von Schwächlingen.“
Irritiert sah Roger ihn an und sagte verdutzt: „ Parbleu! Ihr habt wahrlich keine Zeit vergeudet, Messire Richard.“
„Und Ihr habt zu lange gesäumt, Monsieur! Indes konntet Ihr Euch nie beizeiten von einem Frauenzimmer trennen.“
„Dem mag so sein“, erwiderte Roger mit boshaftem Lächeln. „Wohlan, so bleibt mir denn nur die Möglichkeit, Madame bald zur Witwe zu
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