Historical Platin Band 04
Zustand des Burschen sich wider Erwarten verschlechtern sollte.
Sie atmete tief in der kühlen Morgenluft durch, dehnte die verspannten Arme und beobachtete das Treiben auf dem Hof. Pferde wurden auf dem Platz umhergeführt; Rossknechte misteten die Stallungen aus oder schafften frisches Stroh aus dem Heuschober heran. Die Patrouillen auf der Ringwehr machten die Runde; hie und da standen einige der Schildwachen plaudernd beisammen, derweil andere gähnend an den Zinnen lehnten.
Tauben flatterten über den Hof, ließen sich auf dem Dach des Ziehbrunnens nieder oder in der Spreu, wo sie nach Körnern pickten. Aus der Proviantmeisterei wurden Vorräte in das Backhaus gebracht, und drei Mägde gingen zur Badestube.
Jeder vom Heimgesinde und der Wachmannschaft entbot Mellisynt einen frohen Tag, und freundlich erwiderte sie die Grüße. Nach einem Weilchen fand sie, es sei an der Zeit, richtig Morgentoilette zu machen und sich umzukleiden. Sie stieg die Stufen hinauf, betrat die Galerie und war im Begriff, durch das Gewölbe zum Treppenturm zu gehen, als sie unvermittelt ihren Namen vernahm. Neugierig geworden, schritt sie vorsichtig weiter, hielt vor dem Durchgang zum Rittersaal an und lauschte.
„In Mylord Richards Kammer! Welche Dreistigkeit! Ich mochte es nicht glauben, als Robine mir das vorhin erzählte.“
Mellisynt erkannte die Stimme der Ingunde genannten Magd und fragte sich befremdet, wovon die Rede sein mochte.
„Unfassbar! Und das vor den Augen der Herrin!“
„Ja! Robine sagte, sie sei von Mylady zurückgeschickt worden, um eine Salbe zu holen, und habe plötzlich Isabeau de Brissac gesehen, die zum Schlafgemach des Herrn unterwegs war. Sie ist ganz sicher, sie erkannt zu haben. Und weil sie meinte, den Augen nicht trauen zu können, ist sie auf der Stiege geblieben und hat genau beobachtet, wie die Demoiselle vor der Pforte anhielt und nach der Klinke griff.“
„Und was geschah dann?“
„Sie wusste nicht, wie sie sich verhalten solle, ist einige Stufen zurückgegangen und hat abgewartet, bis alles ganz still war. Es besteht kein Zweifel daran, dass Mylady de Brissac in der Kammer des Herrn war, während seine Gattin im Logis der Mannschaft bei dem kranken Knappen weilte!“
Ein Gefühl der Übelkeit erfasste Mellisynt, und nach Atem ringend presste sie die Hand auf den Magen. Es dauerte einen Moment, bis es sich etwas gelegt hatte und sie imstande war, den Weg fortzusetzen. Sich straffend, ging sie, ohne den Eingang zum Saal eines Blickes zu würdigen, zur Stiege, schritt sie hinauf und überlegte, ob sie erst die Kammermagd befragen oder Dame Isabeau gleich zur Rede stellen solle. Zum Letzteren entschlossen, strebte sie zu der Kammer, in der Mademoiselle de Brissac untergebracht war, und riss die Pforte auf.
Überrascht starrte Isabeau sie an.
„Hinaus!“, befahl Mellisynt dem Kammerweib, das der Herrin beim Ankleiden behilflich war, schaute wutbebend die Demoiselle an und wartete, bis sie mit ihr allein war. Es war unverkennbar, dass ihr Gegenüber sich schuldbewusst fühlte. Bläuliche Schatten lagen unter den Augen des bleichen, übernächtigt wirkenden Gesichts, und der Ausdruck in den Augen zeugte von Angst. „Also trifft zu, was ich gehört habe!“, herrschte Mellisynt die Demoiselle an. „Ich sehe Euch an, dass Ihr einen Fehltritt begangen habt.“
„Ich … Madame … was veranlasst Euch …“, stammelte Isabeau verstört.
„Leugnet nicht!“, unterbrach Mellisynt sie scharf.
Isabeau spürte die Augen feucht werden, wich einen Schritt vor der Burgherrin zurück und murmelte betreten: „Ich wollte das nicht, Madame, und weiß auch nicht, wie es dazu gekommen ist. Ich hätte nie gedacht, dass ich mich so hinreißen lassen könnte.“
„Ihr seid nichts weiter als eine Dirne, ein verlottertes Frauenzimmer der übelsten Art!“, äußerte Mellisynt wutschnaubend, war im Nu bei ihr, holte aus und schlug ihr, außer sich vor Zorn, hart ins Gesicht.
Isabeau schrie auf und brach in Tränen aus.
Brüsk wandte Mellisynt sich ab, verließ den Raum und warf die Tür hinter sich zu. Sie hörte die Demoiselle noch jammern, als sie beim Ehegemach angelangt war. Entsetzt über das, was der Gatte getan hatte, stützte sie sich mit der Linken an die Wand und vermochte nicht zu fassen, dass sie mit jemandem verheiratet war, der offensichtlich keine Gelegenheit ausließ, sich mit einem anderen Weib zu verlustieren.
Robine kam die Stiege herauf, sah die Herrin an der Mauer lehnen und
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