Historical Platin Band 04
Schrittes begab Mellisynt sich in das Studio. Der Herzog stand am Lesepult, mit Pergamenten beschäftigt, und fragte, ohne den Blick von ihnen zu heben: „Was gibt es schon wieder, Madame?“
Schweigend erwies Mellisynt ihm die Reverenz. Die Fürstin hatte recht. Er wirkte tatsächlich sehr verändert. Sein Gesicht sah verlebt aus; ein verbitterter Zug lag um seinen Mund, und seine Miene drückte Unzufriedenheit aus. Jäh wallte die Abneigung, die Mellisynt stets für ihn empfunden hatte, neu auf, doch sie hielt sich vor, sich beherrschen zu müssen, wenn sie ihn bewegen wolle, Gnade walten zu lassen.
Da die Gattin nicht geantwortet hatte, blickte er zu ihr und sah zu seiner Überraschung nicht sie, sondern die Gemahlin des einstigen Statthalters. Ärgerlich straffte er sich und äußerte ungehalten: „Ihr, Madame? Mit welchem Recht wagt Ihr es, bei mir einzudringen?“
„Um Vergebung, Monseigneur, doch ich tat es mit dem Anspruch einer verzweifelten Frau, deren Gemahl ungerechtfertigt zu leiden hat. Und aus Not, weil Ihr, Eure Hoheit, bisher keine meiner Bittschriften habt beantworten lassen.“
Geoffroir spürte die Zornesröte ins Gesicht steigen. Gewillt, Madame d’Edgemoor deutlich zu verstehen zu geben, dass sie ihm nicht erwünscht war, ließ er sie ungeachtet der sichtlich weit fortgeschrittenen Schwangerschaft vor sich knien.
Sie begriff sogleich, dass sie demütiger sein musste, und fuhr in unterwürfigem Ton fort: „Ich flehe Euch an, Eure königliche Hoheit, mich anzuhören. Es ist mir unerklärlich, warum Ihr meinen Gatten eingekerkert habt. Er steht loyal zu Euch und hat nie in seiner Vasallentreue geschwankt.“
„Er ist ein Verräter“, entgegnete Geoffroir hart.
„Das kann nicht sein, Sire“, widersprach Mellisynt leise. „Welchen Anlass Ihr auch haben mögt, ihm zu zürnen, erkühne ich mich, Euch zu versichern, dass mein Gemahl Euch niemals hintergehen würde.“
„Ihr seid ein ahnungsloses Weib, Madame!“, brauste Geoffroir auf. „Mir liegt der Beweis vor, dass Euer Mann sich gegen mich gestellt hat! Ihr wisst, bei Hochverrat lautet das Urteil auf eine Strafe an Leib und Leben.“
„Verzeiht mir die Hartnäckigkeit, Monseigneur, aber ich ersuche Euch inständig, meinen Gemahl nicht vor Gericht zu stellen“, bat Mellisynt, den Tränen nahe. „Erlaubt mir, Euch ein Lösegeld zu entrichten. Nehmt, was Euch behagt, Sieur. Ich gebe Euch gern alles, was Ihr verlangt, die Veste Trémont, selbst mein Wittum, so Ihr darauf bestehen solltet.“
„Ihr könnt mir nichts offerieren, Madame“, entgegnete Geoffroir verächtlich. „Ihr wisst, aller Besitz eines Mannes, der Hochverrat begangen hat, fällt an den Lehnsherrn.“
„Sire …“, begann Mellisynt bestürzt.
„War Euch das nicht geläufig, Madame?“, unterbrach er sie spöttisch und weidete sich an ihrem Entsetzen. „Habt Ihr gar angenommen, ich hätte unter den gegebenen Umständen die Großmut, Euer Lehen nicht einzuziehen?“ Kalt lächelnd, ging er um das Pult, blieb vor Madame d’Edgemoor stehen und sagte abfällig: „Ihr müsst sehr einfältig sein, so Ihr denkt, die schlecht verhohlene Abneigung, die Ihr gegen mich hegt, sei mir nicht aufgefallen. Ihr seid es, Madame, die Euren Gatten dazu aufgehetzt hat, Verrat an mir zu üben.“
„Nein, Eure Gnaden“, verteidigte sie sich erschrocken.
„Es ist müßig, mir das sittsame, züchtige Weib vorzuspielen, Madame“, äußerte er geringschätzig. „Ich habe Euch einst, da ich mit Eurem Gemahl nach Edgemoor kam, in der Bucht beobachtet. Ihr benahmt Euch wie eine Dirne, aber nicht wie die Gattin meines damaligen Statthalters. In meinen Augen, Madame, seid Ihr ein loses Frauenzimmer, das für jedermann wohlfeil zu haben ist.“
Zutiefst erschüttert, unfähig, einen Laut hervorzubringen, starrte Mellisynt den Herzog an und rang um Fassung. Sie atmete tief durch, doch es gelang ihr nicht, sich zu beherrschen. Die Etikette vergessend, erhob sie sich so würdevoll, wie es ihr möglich war, sah feindselig den Lehnsherrn an und sagte kalt: „Für diese Kränkungen, Sire, werdet Ihr einstehen müssen! Ich bin nur ein schwaches Weib, doch eines Tages, so mein Gemahl je wieder das Licht der Tages erblicken sollte, wird er Euch für den mir angetanen Unglimpf zur Rechenschaft ziehen.“
„Entfernt Euch, Madame!“, herrschte Geoffroir sie wutbebend an. „So Ihr Euch nicht unverzüglich von hinnen begebt, lasse ich Euch ebenfalls in Balfour dingfest
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